Weiter im Tagestakt bis Puerto Eden

Puerto Eden – Isla Wellington – Patagonien/Chile
11004 sm von Stavoren/NL
20.02. – 2.03.2020

Caleta Columbine S 51°53’31 – W 73°42’27
W coast Estrecho Collingwood
Caleta Puerto Consuela – Caleta Columbine – 76 sm
20.02. – 21.02.2020
Puerto Consuelo verabschiedet uns mit einem strahlend blauen Himmel und einer fantastischen Sicht auf die umliegenden vergletscherten Berggipfel. Der Katamaran Rum Doxy, den wir immer wieder mal auf unserer Fahrt gesichtet haben, liegt in Puerto Natales vor Anker. Delfine vergnügen sich in der Bugwelle der Aloma. Bald schon haben wir die FRATELLI auf dem AIS-Schirm. Sie hat gestern bei Starkwind abgelegt und musste in einer Caleta einen Zwischenstopp einlegen.
An der Isla Jaime setzt Wind aus Nord mit bis zu 25 kn ein. Es wird etwas ruppig, beruhigt sich aber wieder schnell. Auf dem AIS sehen wir, dass uns die PERD PAS LE NORD entgegenkommt. Die Stahlyacht hat in Stanley/Falklands längsseits an uns gelegen. Durch die unelastische Festmachetechnik hat das 19 t schwere Boot wie wild an der ALOMA gezerrt. Walter ruft Captain Nico über die Funke an. Er ist mit Freunden auf dem Weg nach Puerto Natales.
Wir gehen gemeinsam mit der FRATELLI in der Caleta Columbine vor Anker. Eine große, leicht anzufahrende Bucht im Estrecho Collingwood. Landleinen sind hier überflüssig.

Caleta Rachel S 50°41’63 – W 74°14’88
W coast of Canal Pitt – Isla Chatam
Caleta Columbine – Caleta Rachel – 82 sm
21.02. – 22.02.2020
Das ruhige sonnige Wetter wollen wir ausnutzen und Strecke machen. Um 7:00 Uhr gehen wir Anker auf, der diesmal ohne lästigen Kelpbehang hochkommt. Jede Menge Peal Delfine, die mit dem weißen Bauch, umkreisen dabei das Boot. Der Wind bleibt den ganzen Tag unter 5 kn. Für uns nicht segelbar. Wir erhöhen die Drehzahl, um die 82 sm entfernte Caleta Rachel noch vor Sonnenuntergang zu erreichen. Die FRATELLI ist dieselsparend unterwegs und fällt bald zurück.
Die Einfahrt in die Caleta führt zwischen Felsen und kleinen Inseln hindurch. Delfine begleiten uns bis zum Ankerplatz und sind dann wieder verschwunden. Als wenn sie auf uns gewartet hätten. Eine 50 m breite Sandbank zieht sich von Nord nach Süd, auf der wir um 20:30 Uhr auf 12 m ankern. Es ist die einzige Ankermöglichkeit in der Bucht. Daneben ist es mit 30 m zum Ankern zu tief. Wir freuen uns über den Möhren-Kartoffeleintopf, mit der eingekochten Hackfleischsauce von Falklandrindern, den ich bei besten Wetterbedingungen unterwegs gekocht habe. Weniger erfreulich sind die als Obstfliegen getarnten Kriebelmücken. Kurz nachdem wir geankert haben, sitzen hunderte von den kleinen Blutsaugern unter unserer Sprayhood und warten darauf sich in unser Boot zu stürzen. Die Biester scheinen gegen unser Mückenspray immun zu sein und hinterlassen juckende dicke Quaddeln. Verdirbt einem den Aufenthalt im Cockpit. Wir kramen wieder unsere Mückennetze hervor, die wir schon lange nicht mehr gebraucht haben.

Estéro Dock S 49°56’70 – W 74°27’97
W coast of Canal Wide – Isla Wellington
Caleta Rachel – Estéro Dock – 60 sm
22.02. – 23.02.2020
Kurz vor halb acht ist der Anker wieder oben. Der Luftdruck ist gesunken, der Himmel wolkenlos. Der französische Katamaran KALIM funkt uns an. Er ist wie wir in Richtung Puerto Eden unterwegs. Im Canal Concepción kommt Wind aus NW auf. Bei 20 kn setzen wir das Groß im 2. Reff und die Genua 3 und freuen uns seit langem wieder zu segeln. Bedingt durch die Einflüsse der umliegenden Berge hat der Wind schnell an Stärke zugenommen. Eisblöcke, von den nicht weit entfernten Gletschern abgebrochen, treiben zwischen den weißen Schaumkronen im Canal und sind nur schwer auszumachen. Die Wolkenwalzen, die sich über die Berkämme schieben, sehen bedrohlich aus. Wir sind inzwischen klar überpowert und machen mehr als 9 kn Fahrt durchs Wasser. Wir binden das 3. Reff ins Groß und reffen die Genua 3.
Im Canal Wide kommt der Wind sehr achterlich, wir bergen das Groß und motoren bis zur Caleta Estéro Dock. Wir fahren bei Niedrigwasser durch die sehr schmale Einfahrt und können die bei Hochwasser fast verschwundenen Felsen gut erkennen. Wieder werden wir von vielen Delfinen begrüßt, aber auch große Schwärme von „Blutfliegen“ warten auf uns.

Mit der Ankunft in Estéro Dock haben wir die Screaming Fifties verlassen, dass aus Sicht der Versicherer so böse Gebiet, was eine Verdoppelung der Prämie rechtfertigte. Wir können froh sein, dass uns die Pantaenius hier ausnahmsweise versichert hat. Mehr dazu später, in einem gesonderten Beitrag.

Caleta Sally S 49°13’51 – W 74°05’49 und PIO XI
Seno Eyre – Bahía Elizabeth
Estéro Dock – Caleta Sally – 49 sm
23.02. – 24.02.2020
Die Einfahrt in den Seno Eyre ist von der Caleta Estéro Dock nicht weit entfernt. Die gigantische 5 km breite und 75 m hohe Eiswand des Gletschers PIO XI schiebt sich am Ende des Senos unaufhaltsam in den Fjord vor. Mit 1265 km² Fläche ist er der größte Gletscher der Südhalbkugel (außerhalb der Antarktis). Einzelne Eisberge lösen sich krachend aus der Wand und bieten ein beeindruckendes Schauspiel. So wird der Gletscher auf den unterschiedlichsten Seiten im Internet und auch in der „Blauen Bibel“, unserem Revierführer, beschrieben. In älteren Segelblogs haben wir Bilder von Segelbooten inmitten eines dichten Eisfeldes, vor einer beeindruckenden blauen Eiswand bestaunt. Wenn es wettermäßig einigermaßen passt, wollen wir uns das Spektakel nicht entgehen lassen.
Im Blog der Segelyacht Lucipara 2 (www.sailorsforsustainability.nl), die im vergangenen Jahr durch die chilenischen Kanäle gesegelt ist, lesen wir ungläubig die Beschreibung ihres Besuchs am PIO XI. Auf dem Weg zum Gletscher sind sie keinem einzigen schwimmenden Eisberg begegnet. Hunderte Meter grauer, lehmartiger Strand trennen ihn vom Wasser. Sollen wir 60 sm Umweg auf uns nehmen, um den schrumpfenden PIO zu besichtigen? Das Wetter ist durchwachsen, kein Sonnenschein, es ist aber auch kein Regen angesagt. Wir wollen uns von der so gegensätzlichen Beschreibung, zu dem was wir im Internet und in unserem Guide gelesen haben, selbst überzeugen und quälen uns bei 0,5 kn Gegenstrom und 20 kn Wind von vorne stundenlang durch den Seno bis zur Caleta Sally (Anker und zwei Landleinen).
Auf dem Weg dorthin brauchen wir keinem einzigen schwimmenden Eisblock auszuweichen. Den Gletscher können wir aus mehreren Kilometern Entfernung sehen. Spektakulär sieht er auf den ersten Blick nicht aus. Mag auch an dem bewölkten Himmel liegen. Morgen früh werden wir ihn uns aus der Nähe anschauen.
Um 8 Uhr gehen wir Anker auf und verlassen die von Bäumen eingerahmte schöne Bucht Sally. Als wir den 3 sm entfernten Gletscher erreichen, macht sich schnell Enttäuschung breit. Lucipara 2 hat Recht. PIO XI zieht sich ganz offensichtlich zurück. Wasserberührung hat der Gletscher an keiner Stelle mehr. Eine breite Sandbank zieht sich entlang der flachen abgerundeten schmutzigen Front, von der schon lange kein Eis mehr abgebrochen ist. Wir machen einige Fotos und begeben uns bei Mitstrom und keinem Wind auf den Rückweg. In dem milchig türkisfarbenen spiegelglatten Seno werden wir immer wieder von Delfinen umschwommen.

Puerto Eden 49°07’63 – W 74°24’77
Isla Wellington
Caleta Sally – Puerto Eden – 54 sm
24.02. – 2.03.2020
Puerto Eden ist ein völlig isoliertes kleines Dorf im Bernardo O’Higgins National Park und nur mit dem Boot erreichbar. Als wir dort ankommen, liegen die FRATELLI und die Segelyacht ADMIRAL BELLINGSHAUSEN vor Anker. Die BELLINGSHAUSEN ist ein 27,5 m langer Zweimast-Motorsegler Jongert-24 aus Stahl, der 1924 in den Niederlanden gebaut wurde.
Wir ankern auf 7 m und rudern noch am gleichen Tag an Land, froh, uns mal die Beine vertreten zu können. Das Beiboot machen wir an einer hölzernen Steganlage fest und klettern eine steile Leiter hinauf an Land. Holzstege ersetzen die Straßen. Der Hauptsteg führt entlang der Häuserfronten, vorbei an einer Kirche, die man nur wegen des davorstehenden hohen Eisenkreuzes als solche erkennt. Grundnahrungsmittel werden an drei kleinen Verkaufsstellen, die in Wohnhäusern untergebracht sind, angeboten. Frisches Obst und Gemüse bringt die NAVIMAG FÄHRE einmal in der Woche in Puerto Eden vorbei. Es ist immer schnell vergriffen. Bei einem Fischer kaufen wir 1 kg Centollas, die schmackhaften Königskrabben. Sie sind schon zerlegt und fertig gekocht.
Als wir am Fähranleger vorbeispazieren treffen wir auf einen Einheimischen, der schnaufend dicke Holzstücke zu seinem gegenüberliegenden Wohnhaus schleppt. Aliro Vargas wohnt alleine in seinem Haus. Seine Frau ist vor 5 Jahren nach Puerto Natales gezogen. Für seine Kinder gab es in Puerto Eden keine Zukunft. Es leben noch ca. 90 Menschen hier, 14 davon sind Kinder. Zurzeit sind Ferien und das große Schulgebäude, in dem es auch eine Bibliothek und WiFi gibt, ist geschlossen. Wenn wir Wäsche zum Waschen haben, können wir sie bei Aliro vorbeibringen. Duschen können wir auch bei ihm. Super, wir werden es uns überlegen.
Der kommende Tag wird ein Bootstag. Es regnet von von morgens bis abends. An einem regenfreien Tag laufen wir die Nebenstege ab, die teils recht marode sind und steigen hinauf auf einen Aussichtsturm, mit einem schönen Blick über die Bucht. Mit ein wenig gemischten Gefühlen bringen wir zwei Beutel Wäsche bei Aliro vorbei. In seinem mit allem möglichen Krimskrams vollgestopftem Wohnraum läd er uns zu Centollas ein, dazu ein Glas mit einem extrem süßen Softdrink. Die Wäsche können wir morgen abholen.
Der französische Katamaran KALIM ist inzwischen auch angekommen. Die FRATELLI hat sich auf den Weg in Richtung Golfo del Penas gemacht. Wir sehen für die kommenden Tage noch kein gutes Wetterfenster für die Querung des Golfos und bleiben in Puerto Eden mit Internet. Der Ankergrund ist im westlichen Teil der Bucht nicht wirklich gut. Unser Anker ist schon mehrere Meter geslippt und wir ankern um.
Gut, dass wir erst nachmittags zu Aliro spazieren. Die Wäsche ist noch nicht trocken. Sie hängt unter dem Verandadach vor der Haustüre auf einer Wäscheleine, Walters Unterhosen an Nägeln aufgereiht. Meine sportiven Unterhosen (andere hätte ich nicht abgeliefert) sind an einer kleinen Wäschespinne über dem Ofen platziert. Wir halten noch ein Schwätzchen und packen unsere halbtrockene Wäsche ein. Aliro nimmt für die zwei Maschinen Wäsche einen angemessenen Preis und schenkt uns zum Abschied selbstgebackenes Brot.
Der kleine Minimarkt, direkt gegenüber unserem Ankerplatz, ist am besten bestückt. Obst gibt es hier allerdings auch nicht. Nur einige Tüten mit Möhren und angegammelte Zwiebeln. Wir kaufen ein tiefgefrorenes Huhn und Bier. Morgen werden wir uns langsam von Caleta zu Caleta in Richtung Golfo del Penas begeben, damit wir bei einem brauchbaren Wetterfenster startklar sind.

Bilder: https://aloma.koeln/feuerland-patagonien-bilderreise-teil-4/