Fünf Tage – Fünf Caletas

Caleta Cascada – N shore of Canal Kirke – Isla Diego Portales – Patagonien
10639 sm von Stavoren/NL
5.02. – 10.02.2020

UNTER „HOCHDRUCK“ WEITER DURCH DIE KANÄLE

Puerto Nutland 53°54’78 S 72°20’64 W
5.02. – 6.02.2020
W coast of Canal Bárbara – Isla Santa Inés – Feuerland
Caleta Brecknock – Puerto Nutland 48 sm
Temperatur um 6:30 Uhr: draußen 5,8° C – im Boot 11,3° C

Kein Regen! Kein Wind! Freundlich! Um 7:00 Uhr verlassen wir gemeinsam mit der PAWSITIVE LATITUTE die Caleta Brecknock. Das Schlauchboot haben wir schon gestern Abend auf Deck befestigt. Pedro löst morgens alle Landleinen, unsere einzig ausgebrachte Leine direkt mit. Gemeinsam wollen wir durch den Canal Bárbara in die Magellanstraße fahren. Die Armada in Puerto Williams hat die von uns geplante Route durch die chilenischen Kanäle eins zu eins übernommen. Verbindungskanäle zur Magellanstraße haben wir wohlweislich nicht aufgeführt. Immer wieder hört man aus Seglerkreisen und liest in den chilenischen Revierführern, dass es verboten ist, die Verbindungskanäle Bárbara und Acwalisnan zu befahren. Die Armada erwähnt nichts von einem Verbot und wir fragen auch nicht nach. Die meisten Boote gehen trotzdem seit Jahren durch den Canal Acwalisnan und schalten ihr AIS (Automatisches Identifikationssystem) aus. Bislang haben wir nirgendwo gelesen oder gehört, dass es Probleme gab. Der Canal Bárbara hat den großen Vorteil, dass man nördlicher in die Magellanstraße einfährt und den mitunter tückischen Seeweg um fast 20 sm abkürzt. Canal Bárbara ist mit Inseln und Felsen durchsetzt und wird daher navigatorisch als schwieriger angesehen. Für heute ist nicht viel Wind angesagt. Daher dürfte die Durchfahrt kein Problem sein.

Bei der Ausfahrt aus der Caleta Brecknock läuft der Motor nicht richtig. Die Geschwindigkeit ist zu gering. Ist eventuell Kelp in der Schraube oder ein Stück Tau? Auch mehrmaliges Vor- und Zurückschalten ändert nichts. Ich krame schonmal den Neopren hervor und Walter bereitet sich auf einen Tauchgang vor. Kein Vergnügen bei dem unter 10° C kaltem Wasser. Ein letzter Versuch … vor, zurück, vor, zurück und siehe da, vielleicht hat das in Argentinien an der Welle angebrachte Schneidmesser Erfolg gebracht. Da hat Walter nochmal Glück gehabt!

Wolken, Sonne und sogar etwas segelbarer Wind im Canal Bárbara. Die Gebirgslandschaft mit ihren vergletscherten Berggipfeln ist fantastisch. Wir gehen in Puerto Nutland vor Anker und längsseits an unseren „Jetty“ PAWSITIVE LATITUDE.

Caleta, Puerto, Bahia! Nach welchen Kriterien die Ankerplätze bezeichnet werden, haben wir noch nicht herausgefunden. Scheint völlig willkürlich zu erfolgen. Puerto Nutland liegt nur 3 sm von der Enge Paso Shag entfernt, durch die es in die Magellanstraße geht. Ein optimaler Ausgangspunkt. Die Informationen zur Tide und zu den Strömungen durchschauen wir nicht so wirklich.

Caleta Notch 53°22’60 S 72°48’30 W
Estrecho de Magallanes (Paso Largo) – Isla Riesco – Patagonien
Puerto Nutland – Caleta Notch 55 sm
Temperatur um 6:00 Uhr: draußen 4,6° C – im Boot 9,9° C
6.02. – 7.02.2020

Um 10 Uhr gehen wir Anker auf und müssen wieder mal riesige Kelpmengen mit der Säge bearbeiten. Es hat sich ein stabiler Hochdruckkern mit um die 1020 mbar aufgebaut, der uns einen strahlend blauen Himmel beschert. Im Paso Shag haben wir zwischen den Inseln Inés und Wet bis zu 3 kn Gegenstrom. Ist aber kein Problem. Auf den Felsen sonnen sich Seelöwenkolonien und wir werden von Kormoranen und anderen Seevögeln umkreist.

Als 1520 zwei Schiffe des Portugiesen Fernão de Magalhães bei einem schweren Sturm in eine Bucht getrieben wurden, fand er die Durchfahrt vom Atlantischen zum Pazifischen Ozean. Da am Allerheiligentag entdeckt, erhielt das Gewässer zunächst den Namen Estreito de Todos os Santos (Meerenge Aller Heiligen). Später wurde es vom spanischen König in Estrecho de Magallanes (Magallanmeerenge) umbenannnt.
500 Jahre später biegen wir bei strahlend blauem Himmel und keinem Wind in die Magellanstraße ein. Die Meerenge bei so fantastischen Wetterbedingungen durchfahren zu können, ist nicht selbstverständlich.

Um 20 Uhr steuern wir die Caleta Notch an. Wie sich zeigt, haben wir die richtige Wahl getroffen. Die Einfahrt liegt zwischen zwei Inseln und führt durch ein beeindruckendes Labyrinth von weiteren Inseln und Felsen, angestrahlt durch die immer noch von einem blauen Himmel scheinende Sonne. In der versteckt liegenden Bucht ist freies Ankern möglich. Die umliegenden Berge werden vom Sonnenuntergang in ein unwirkliches rotes Licht getaucht und spiegeln sich im ruhigen Wasser der Caleta.

Bahia Wodsworth 52°59’64 S 74°03’56W
Estrecho de Magallanes (Paso del Mar) – Isla Desolación – Feuerland
Caleta Notch – Bahia Wodsworth 56 sm
Temperatur um 8:00 Uhr: draußen 10,3° C – im Boot 14,7° C
7.02. – 8.02.2020

Um 8 Uhr gehen wir Anker auf und fahren durch das Labyrinth hinaus auf die immer noch friedliche Magellanstraße. Auf der gegenüberliegenden Seite blicken wir auf einen von den Bergen herabhängenden Gletscher, der bei wolkenlosem Himmel in der Sonne strahlt. Die Temperatur steigt im Laufe des Tages auf sommerliche 19 Grad. T-Shirt-Wetter!

Die Bahia Wodsworth, die wir am frühen Abend erreichen, erweist sich als ein weiterer spektakulärer Ankerplatz. Aufwändiges Leinengedöne bleibt uns wieder erspart. Wir gehen im Westarm von Wodsworth vor Anker, mit Blick auf einen hohen Wasserfall und machen längsseits an der PAWSITIVE LATITUDE fest.

Pedro rudert an Land, um zum Wasserfall hochzukraxeln und Fotos zu machen. Uns ist es zwei Stunden vor Sonnenuntergang zu weit, um bis nach oben zu laufen. Als es anfängt dämmrig zu werden und Pedro immer noch nicht zurück ist, machen wir uns alle langsam Sorgen. Mit dem Fernglas suchen wir den Hang ab und entdecken ihn mal kurzzeitig am Rand des Wasserfalls auf dem Weg nach unten. Die Fotos von oben hinunter in die Caleta sind beeindruckend.
Bei einem Glas Wein besprechen wir den morgigen Tag und freuen uns nach einem langen Tag alle auf unsere Kojen.

Bahia Mallet 52°09’58 S 73°35’64 W
E coast of Canal Smyth – E Isla Rennell – Patagonien
Bahia Wodsworth – Bahia Mallet – 57 sm
Temperatur um 8:00 Uhr: draußen 10,3° C – im Boot 14,7° C
8.02. – 9.02.2020

Um 8 Uhr ist der Anker schon wieder oben. Wir queren die Magellanstraße und fahren in den Canal Smyth, in das Kapitel 6 der „Blauen Bibel“. Hier heißt es: „Die meteorologischen Bedingungen, die man in dieser Gegend antrifft, sind ähnlich den in Kapitel 5 beschriebenen, aber noch extremer, da diese Gewässer noch näher am Track der Süd Pazifik Depressionen liegen. Dies führt für längere Perioden zu noch schlechterem Wetter, mit starken Winden, sintflutartigen Regenfällen, Böen und heftigem Schneefall im Winter. Eine ständige Beobachtung des Barometers hilft, die Ankunft eines solchen Wettersystems vorherzusehen.“

Wir brauchen nur einen Blick zum Himmel zu werfen. Unverschämt blau und wolkenlos. Das Barometer zeigt immer noch 1020 mbar und morgens sind es schon 15° C. Weit entfernt von einer Depression. Die Kanalfahrten werden zu einem unvergesslichen Erlebnis. In einem besseren Licht kann man die Landschaft Patagoniens nicht erleben.
Wir kommen an dem Wrack SANTA LEONOR vorbei, welches auf der Seite liegend rostig braun in der Sonne leuchtet. Sie war ein Truppentransporter der US-Navy. 1968 lief sie auf Grund und war verloren. Glücklicherweise kam niemand ums Leben (Quelle: cruisetricks.de).

Die Ansteuerung der Bahia Mallet ist einfach. Die Ankerbucht ist am Ende einer schmalen Passage, eingerahmt von flachen Felsformationen. Im Hintergrund Bergketten mit vergletscherten Gipfeln. Hier ist freies ankern möglich. Es sind unglaubliche 20° C.
In der Bucht treffen wir wieder den französischen Katamaran KALIM mit Marc und Mireille. Wir rudern an Land und laufen über die schmale Landenge, nicht mehr als 100 m breit, die die Halbinseln Zach und Muñoz miteinander verbindet. Dieser Pass wurde einst von Indianern genutzt, um ihre Kanus vom Seno Unión in den Canal Smyth zu tragen und so viele Meilen einzusparen.
Als wir wieder zurück auf der ALOMA sind, ist inzwischen auch die PAWSITIVE LATITUDE eingetroffen. Abends sind wir alle auf der KALIM eingeladen. Den 15 m großen ungewöhnlichen Katamaran mit zwei Masten und zwei Großsegeln hat Marc selber entworfen und in 3,5 Jahren gebaut. Er ist Schiffsdesigner und -bauer. Ein beeindruckendes Boot!

Caleta Cascada 52°04’76 S 73°05’15 W
Bahia Mallet – Caleta Cascada 41 sm – Patagonien
Temperatur um7:45 Uhr: draußen 13,3° C – im Boot 18,4° C (ohne Heizung)
9.02. – 10.02.2020

Wir schlafen ein wenig länger und gehen erst gegen 9:30 Uhr Anker auf. Es sind nur gut 40 sm bis zur Caleta Cascada, eine Ausbuchtung im Canal Kirke. Heute ist es bewölkt und regnet mal kurz für eine Stunde. Die KALIM liegt schon in der Bucht, mit Landleinen festgemacht. Wir ankern frei auf 12 m. Die KIWI DREAM kommt ein wenig später und ankert auch frei. Wir alle warten auf die passenden Strömungsverhältnisse, um durch die nicht weit entfernte Enge Angostura Kirke zu fahren, durch die es in den Canal Valdés geht. Auf VHF Kanal 10 werden laufend automatisch die Strömungsdaten einer Messstation durchgegeben.
Die PAWSITIVE LATITUTE hat uns verlassen. Sie fährt aus zeitlichen Gründen nicht den Umweg nach Puerto Natales, sondern direkt weiter nach Puerto Eden. Unseren Jetty mit der netten Crew werden wir vermissen.

Um 6:30 Uhr gehen wir am kommenden Tag alle Anker auf. Die Sicherung unserer Ankerwinsch löst aus, als der Anker 1 m unter der Wasseroberfläche ist. Außerdem ist der Anker mal wieder um 180° verdreht. So geht er nicht in die Halterung. Walter bekommt ihn nur mühevoll wieder in die richtige Position. Durch die Angostura Kirke kommen wir mit 1,5 kn Gegenstrom problemlos. Wir freuen uns auf Puerto Natales, unserem ersten Zwischestopp in der Zivilisation nach 18 Tagen.

Bilder: https://aloma.koeln/feuerland-patagonien-bilderreise-teil-2/