Puerto Peñasco/Mexiko – 17355 sm von Stavoren/NL
19.3. – 10.6.2022
Mindestens eine Woche lang knabbern wir nach Rückkehr aus Europa an einem heftigen Zeitzonenkater (nette Def. aus Wikipedia). Ganz langsam dringen Wörter wie Bootsarbeiten, insbesondere Wiederaufbau des abgesandeten und alublanken Alomabauches in unser Bewußtsein. Die Hoffnung, das bei WEST MARINE in Phoenix/Arizona bestellte Material abholen zu können, ist schnell verflogen. Wichtige Komponenten sind seitens des Herstellers nicht lieferbar. Also umdenken und erneut recherchieren. Der Bestellprozess zieht sich und Mitte April können wir endlich mit einem Mietauto nach Phoenix fahren. Gut 100 km sind es bis zum US-Grenzübergang Lukeville. Die demaskierten US-Grenzbeamten (Maskenpflicht in den USA aufgehoben) checken unsere Online-Genehmigung für die Einreise in die USA (ESTA) sowie die Reisepässe und wir erhalten ein 90 Tage gültiges VISA WAIVER. An irgendeinem Gesundheitsstatus ist keiner interessiert. Yippee! Wir sind in den USA, fahren die restlichen 250 km durch die Wüstenlandschaft der SONORA und bestaunen die Orgelpfeifenkakteen, nach denen das direkt an der mexikanischen Grenze gelegene ORGAN PIPE CACTUS NATIONAL MONUMENT benannt ist.
Für die kommenden drei Tage haben wir uns in einer einkaufsgünstig gelegenen Airbnb Unterkunft eingemietet, füllen mit dem bei WEST MARINE bestellten Material den gesamten Kofferraum bis zur Ladekante und durchforsten HOMEDEPOT, einen der größten Baumärkte in Phoenix.
Mit gemischten Gefühlen begeben wir uns auf die Rückreise nach Puerto Peñasco, wohl wissend, dass der mexikanische Zoll uns nicht unbedingt ungeschoren passieren lässt. Es kommt wie es kommen muss. Ein Drogenhund springt ins Auto und beschnüffelt erfolglos unsere Rücksäcke auf der Rücksitzbank. Beim Anblick der Materialmenge im Kofferraum bekommen die Zollbeamten Dollarzeichen in den Augen und wir müssen links rausfahren. Die dickste Rechnung halten wir wohlweislich zurück und präsentieren ihnen einen Stapel Rechnungen mit überschaubaren Beträgen. Zum Abhaken der großen Materialmenge zu träge, zeigen sie sich mit den vorgezeigten Rechnungen zufrieden. Wir entrichten sehr geringe Zollgebühren und fahren in Hochstimmung weiter nach Puerto Peñasco.
Bis zum Projektstart Unterwasserschiff sind wir nicht ganz untätig:
♦Unsere sich inzwischen auflösende und bereits mehrfach geflickte Sprayhood (Halbverdeck über dem Niedergang) und die sich an die Sprayhood anschließende Cockpitpersenning (Anbringung bei Regen/längerer Abwesenheit) müssen vor unserer Weiterfahrt dringend erneuert werden. Juan wird uns als fähiger Canvasman empfohlen. Er hat allerdings das „Mañana-Mañana-Syndrom“. Ok, damit können wir leben. Señor Mañana wohnt um die Ecke von uns. Wir sind quasi Nachbarn und werden ihm regelmäßig auf die Füße treten.
♦ Motorwartung einschließlich Wechsel aller Dieselfilter
♦ Neue Kühlflüssigkeit in die Heizung eingefüllt
♦ Vordruckpumpe Wassermacher ausgetauscht
♦ Achterkabine demontiert und die ansonsten unerreichbaren Bilgen gereinigt. Ein weiteres Staufach gebaut, Teile der Wände weiß gestrichen und vier neue Deckenleuchten installiert.
♦ Die Wellendichtung „Profiseal“ geöffnet und den axial dichtenden Carbondichtring auf Verschleiß geprüft.
♦ Defekte Hydraulikpumpe Autopilot (Lecomble&Schmitt RV3) durch neue RV3 ersetzt und Hydrauliköl gewechselt. Danach Anlage entlüftet.
♦Den Einbauort des Fluxgate-Kompasses und des Gyro-Sensors (misst die Winkelgeschwindigkeit) gesucht und nach 15 Jahren endlich gefunden.
Der Fluxgate-Kompass ist mit dem Autopiloten verbunden und sendet an diesen ein digitales Kompasssignal. Irgendwann im vergangenen Jahr, auf einer Motorfahrt unter Kompasssteuerung durch den Sea of Cortez, fing der Autopilot an zu spinnen und lenkte das Boot überall hin, nur nicht in die Richtung in die es fahren sollte. Ein Grund mal intensiver auf die Suche nach den beiden Sensoren zu gehen. Die Anzahl der möglichen Verstecke ist überschaubar, da wir das Boot in den vergangenen 15 Jahren mehr oder weniger komplett zerlegt haben. Hinter der Wand, an der unser Abfalleimer befestigt ist, werden wir fündig. Trotz ausgiebiger Tests können wir keinen Fehler des Fluxgate-Kompasses provozieren.
Eigentlich bleibt nur noch der Inhalt des Abfalleimers übrig, der mögliche Kompassablenkungen verursacht. Als Hauptverdächtige kommen Konservendosen in die engere Wahl. Wir testen und siehe da, eine Konservendose bringt den Kompass aus dem Tritt. Sie ist ferromagnetisch, besteht also aus Stahl. Auf Langfahrt sammeln wir Konservendosen in einem separaten Müllbeutel. Sind wir auf Kurzstrecken unterwegs, landet eine Dose im Abfalleimer. Dies wäre auf jeden Fall die preiswerteste Lösung des Problems. Für unseren NAVMAN-Autopiloten gibt es schon seit vielen Jahren keine Ersatzteile mehr. Wir führen eine komplette Anlage als Reserve mit. Bei Ausfall eines Teiles gibt‘s keine Reserve mehr und in diesem Fall würden wir aus Sicherheitsgründen zwei neue Anlagen kaufen. Der Spaß wäre unter 4000 Euro nicht zu haben.
Projekt Unterwasserschiff
Im Juni des vergangenen Jahres wurde die ALOMA an Land gestellt und das Unterwasserschiff gesandstrahlt. Nun steht ein kompletter Neuaufbau auf dem Plan. Bevor die erste Epoxy-Primer Schicht aufgebracht werden kann, muss das ganze Unterwasserschiff gereinigt und nochmal mit dem Winkelschleifer angeschliffen werden, um die Oxidationsschicht zu entfernen. Bei der Knochenarbeit wird Walter von zwei Arbeitern der Boatyard unterstützt. Anschließend werden zwei Schichten eines speziellen Dünnschicht-Epoxy-Primers für Aluminium aufgebracht. Danach folgen zwei Schichten Dickschicht-Epoxy. Für das Streichen der ersten drei Epoxy-Schichten müssen die Überstreichzeiten penibel genau eingehalten werden. Dann ist erstmal Entspannung angesagt. Nach Aufbringen der vierten Epoxy-Schicht ist für den ersten Antifoulinganstrich wieder ein enges Zeitfenster einzuhalten. Zwei weitere Antifoulingschichten folgen, ein verbleibender Rest wird auf exponierte Stellen des Unterwasserschiffs gepinselt und fertig 🙂 🙂 !
Die noch anstehenden Arbeiten, wie Teilentlackung des Rumpfes (nur noch ein Teilbereich an den Rumpfseiten wird lackiert, der Rest wird bis auf‘s Aluminium runtergeschliffen), Deck abschleifen und mit rutschfester Farbe streichen und Fensterrahmen lackieren verschieben wir auf die kühlere Jahreszeit November/Dezember.
Wir müssen allerdings nochmal eine Fahrt nach Phoenix zu WEST MARINE machen. Ursprünglich war geplant, die Teilbereiche am Rumpf mit AWLGRIP Topcoat selber zu rollen. Nun haben wir uns entschlossen, eine Spritzlackierung von der Boatyard durchführen zu lassen. Die dafür erforderliche zweite Komponente müssen wir noch besorgen.
Wir mieten ein Auto für einen Tag und machen uns um 6 Uhr früh auf den Weg. An der Grenze ist nichts los. Diesmal werden wir zur Abwechslung mal nach dem Baujahr des Fahrzeugmodells gefragt. Woher sollen wir das wissen, ist nicht unser Auto. Auch egal, der Grenzbeamte lässt uns weiterfahren, nachdem er noch einen kurzen Blick in unsere Reisepässe und auf die VISA WAIVER geworfen hat. Wie wir später erfahren, wird per Scanner und Computerabgleich des Fahrzeugmodells gecheckt, ob die Einbauten im Auto noch an ihrem Originalplatz sind oder neue Einbauten hinzugekommen sind. Alles unglaublich! In Ajo, dem einzigen grenznahen Ort mit ein wenig Infrastruktur, legen wir eine Frühstückspause ein, trinken in dem am netten Dorfplatz gelegenen Café einen sehr guten Kaffee und essen ein Sandwich.
Bei WEST MARINE ist alles schnell erledigt. Das ein oder andere Teil kommt noch hinzu und einen Rundgang durch den Baumarkt Homedepot schaffen wir auch noch. Die Zeit bis zur Grenzschließung um 20 Uhr reicht noch für einen fetten guten Hamburger im AGAVE GRILL in Ajo. Auf unserer Fahrt durch die Sonora laufen zweimal Kojoten über die Straße. Es ist das erste Mal, dass wir welche sehen. Bisher haben wir sie in Ankerbuchten des Sea of Cortez nur heulen gehört. An der Grenze wirft der mexikanische Zollbeamte einen kurzen Blick in den Kofferraum und fordert uns durch winken auf weiterzufahren.
Was machen Sprayhood, Cockpitpersenning und unser Freund Señor Mañana? Das Ausmessen wird von Juan zügig und professionell erledigt. Den SUNBRELLA Stoff bestellt er in den USA. Seine in den USA wohnhaften Verwandten transportieren die Stoffrolle nach Mexiko. Bald schon kommt die Meldung, dass der Stoff da ist. Dann ist Sendepause. Mañana Versprechungen per Whatsapp folgen. Nichts geschieht und wir besuchen Juan zu Hause. Die Sprayhood hat schon Form angenommen, ist allerdings in Juans Lieblingsfarbe Caribbean und nicht in der von uns gewünschten Farbe Marine. Macht nichts. Ihr sollt zufrieden sein. Juan bestellt eine neue Rolle in Phoenix. Das gleiche Procedre wie anfangs. Der Stoff kommt, wir warten und nerven ihn hartnäckig. Inzwischen sind Sprayhood und Persenning in einem weit fortgeschritten Stadium. Vor ein paar Tagen wurde nochmal alles angepasst. Sieht gut aus! Wir bleiben optimistisch, dass alles kommende Woche fertig ist.
Ab 15.6. machen wir hitzefrei. Die Temperaturen im Wüstenort Peñasco steigen ab Juni in dunkelrote Bereiche und machen Bootsarbeiten unmöglich.
Unsere Fahrräder sind schon flugtauglich verpackt. Geplant ist den noch fehlenden Rest der Westküste USA abzuradeln. Im vergangenen Jahr sind wir mit den Rädern den Highway 1 von San Francisco zurück nach Mexiko gefahren (Bericht steht noch aus). Am 15.6. fährt uns Oscar, der freundliche Fahrer aus Puerto Peñasco, nach Phoenix zum Flughafen. Von dort aus fliegen wir nach Seattle und fahren mit Rad und Zelt die Küste hinunter bis San Francisco. Mit dem Zug nach San Diego und mit dem Fahrrad nach Mexicali/Mexiko. Dann, wie im vergangenen Jahr, mit dem ABC Bus zurück nach Puerto Peñasco. Das ist der Plan!
Im August reisen wir nach Mexiko-City, machen dort ein wenig Sightseeing und fliegen am 1.9. nach Deutschland. Mitte November wollen wir wieder zurück in Mexiko sein. Dann werden die restlichen Bootsarbeiten erledigt. Im Januar soll‘s endlich ins Wasser gehen. Im Sea of Cortez gibt es noch einige Ankerbuchten und Inseln zu erkunden, die wir noch nicht kennen. Wenn die Einreisebestimmungen für Französisch Polynesien so bleiben wie aktuell beschlossen, gehen wir im März in den Pazifik und segeln Richtung Südsee. Das ist der Plan!