Victoria B.A./Argentinien 8008 sm von Stavoren
April/Mai 2019
Die meisten Segler die südwärts gehen, legen einen Zwischenstopp im Club de Veleros Barlovento, Victoria B.A. ein. Gäste sind willkommen, die Clubanlage schön angelegt, die Mitarbeiter sehr freundlich und der Monatspreis erschwinglich. Jetzt sowieso, wo sich der Wert des Argentinischen Pesos, aufgrund der schweren Wirtschaftskrise, innerhalb eines Jahres halbiert hat. Drei Monate sind inzwischen vergangen, unterbrochen von unserer vierwöchigen Radtour in Patagonien.
An die fehlenden Steganlagen haben wir uns inzwischen gewöhnt und mit dem Taxiboot Gauchita angefreundet, zumal der Transport unserer Fahrräder problemlos ist. „Gauchita para Aloma“ auf US-Kanal 66 gerufen und nach einer meist kurzen Wartezeit legt das Taxiboot an. An Land und wieder zurück zum Boot wird von den im Wechsel eingesetzten Marineros rund um die Uhr gewährleistet. Ein super Service! Mit dem immer gut gelaunten und hilfsbereiten Marcelo, der seit über 30 Jahren für den Club tätig ist, macht es uns auf den morgendlichen Fahrten zu den Duschen Spaß, Konversation auf Spanisch zu üben.
Eine passende Radstrecke zu finden, um die auf unserer Radreise in Patagonien erworbene Fitness nicht direkt wieder verpuffen zu lassen, ist nicht so einfach. In einer Tagestour aus dem Großraum Buenos Aires herauszukommen ist fast unmöglich. Walter hat Strecken zwischen 50 und 90 km herausgesucht, von denen 20 km immer durch dichten Verkehr führen. Entspannter wird es erst in einem großangelegten Wohnbereich, wo perfekt asphaltierte und wenig befahrene Straßen durch abgezäunte Villenviertel mit Namen wie San Francisco und San Rafael führen. Alle 100 m ist eine Überwachungskamera aufgestellt. Wachpersonal in kleinen Häuschen sorgt für zusätzliche Sicherheit. Entlang einer Straße stehen auf der einen Seite die Häuser der ärmeren Bevölkerung, auf der anderen Seite fahren die Reichen mit ihren Jetskis auf einem abgezäunten See um die Wette. Es stellt sich unweigerlich ein beklemmendes Gefühl ein.
Prima ist, dass aus der Whatsapp-Gruppe „South America Sailing Team 2018“ zwei Boote hier im Club sind, die wie wir wegen unvorhergesehener Reparaturen am Boot ihr Vorhaben Patagonien auf Ende 2019 verschoben haben. Die SY Pikaia mit den Franzosen Gaelle, Manuel und ihren zwei Jungs Jules und Renan haben wir erst hier persönlich kennengelernt. Die Holländer Thea und Henk, unterwegs mit der SY Romlea, kennen wir bereits aus Salvador. Alle übrigen 16 Boote aus der Gruppe haben inzwischen die Pazifikseite erreicht. Mit Thea haben wir schnell eine engagierte Administratorin für die neue Whatsapp-Gruppe „South America Sailing Team 2019“ gefunden. Sie hat in mühevoller Kleinarbeit alle Informationen aus der Gruppe 2018 zusammengetragen, sortiert, in gutem Englisch aufgeschrieben und allen Teilnehmern von 2019 per Email zugesandt. Unsere Gruppe hat sich bereits mit 3 Booten aus den Niederlanden, 2 Booten aus Deutschland (Aloma und Nadir mit Rena und Gucky 🙂 ), einem Boot aus Frankreich und einem aus Neuseeland gefüllt. Wir sind gespannt wer noch alles hinzukommt.
Argentinien verlassen ohne „Asado“ geht gar nicht. Jeder Anlass wird genutzt, um Fleisch- und Wurstsorten jeglicher Art und Gemüse auf einen Grillrost zu legen und es sich, natürlich mit Vino tinto, gutgehen zu lassen. Es sind keine popeligen Klappgrills auf denen gebrutzelt wird. Gemauert müssen sie sein. Von solchen Exemplaren gibt es auf dem Clubgelände jede Menge. An langen Steintischen und – bänken kann man sich ausbreiten. Gemeinsam mit Thea und Henk haben wir unterhaltsame Grillstunden mit erstklassigem argentinischem Fleisch.
So wie die umliegenden Häuser mit hohen Zäunen, vergitterten Fenstern und Wachhäuschen an den Straßenecken gegen Einbruch gesichert sind, so hat auch der Club Barlovento Sicherheitsmaßnahmen getroffen, um Unbefugten den Zugang zum Gelände zu erschweren. Am beschrankten Eingang ist ein rund um die Uhr besetztes Pförtnerhaus. Von 14 bis 22 Uhr ist der Student Tomás im Einsatz, der ein wenig Englisch spricht. Wenn auch etwas holprig, genießen wir die bunt gemischten englisch-spanischen Gespräche.
Im Clubrestaurant treffen wir uns abends hin und wieder mit Thea und Henk auf ein Bier. Kochfreie Tage habe ich, bei dem für umgerechnet 4 Euro angebotenen Mittagstisch, inklusive einem Kaffee, mehrmals in der Woche.
Der Herbst auf der Südhalbkugel zeigt sich inzwischen überall. Die Blätter der wenigen Laubbäume verfärben sich und fallen ab. Der überwiegende Baumbestand besteht aus Nadelbäumen (die genauen Namen weiß ich nicht), die zum Herbstanfang eine riesige Sauerei auf den Booten durch ihren Blütenstaub hinterlassen haben, der sich auch im Bootsinneren ausgebreitet hat. Inzwischen sind es zum Glück nur noch ein paar Nadeln, die hinunterfallen.
Bänke am Ufer des Rio Luján laden zum Verweilen und Entspannen ein. Die Club-Gans, mit eigenem Steg, scheint ihr partnerloses Leben zu genießen. Laut schnatternd macht sie auf sich aufmerksam und freut sich über das ein oder andere Brotstückchen. Bei Hochwasser badet sie ihre Füße mit Vorliebe an der überschwemmten Plattform der Gauchita-Haltestelle.
Mit dem Fußbad der Gans ist es für einen Tag vorbei, als ein heftiger Wind aus SSO große Wassermengen in den Rio Luján drückt und das normale Hochwasser um ein Vielfaches ansteigen lässt. Die Anlegestelle der Gauchita steht komplett unter Wasser und ist nicht mehr anfahrbar. Nur die Bänke ragen noch aus dem Wasser hervor. Wir müssen an einer „Behelfshaltestelle“ an Land gehen. Wege, Wiesenflächen und der Grillplatz sind überschwemmt. Die sowieso schon abenteuerliche Stromverlegung hier im Club gerät noch mehr unter Wasser. Wir wundern uns, dass außer seltenen Stromausfällen bisher nicht mehr passiert ist. Eine solche Verdrahtung wäre in Deutschland undenkbar. Die Situation entspannt sich im Laufe des Tages wieder.
Bäume mit interessanter Noppenrinde, Ziersträucher mit blauen Beerendolden, ein gigantischer Baum mit ungewöhnlichen spitzen Nadeln, blühende Kakteengewächse und ein kleiner Bohnenbaum. Das alles wächst auf dem Clubgelände.
Was machen wir sonst noch so?
Frontscheiben mit neuem Durchblick
Unsere 15 mm dicken Fensterscheiben aus Plexiglas sind 16 Jahre alt und zeigen inzwischen mehr oder weniger starke Crazings (spinnennetzartige Haarrisse). Die nicht gerade pflegliche Behandlung der Scheiben durch den Vorbesitzer der Aloma und die Sonne haben den Alterungsprozess beschleunigt. Nicht weiter schlimm, solange man noch den Durchblick hat. Die Festigkeit ist nach wie vor gewährleistet. Beunruhigend ist nur, dass sich, insbesondere in den drei großen Frontscheiben, mehr als 10 cm lange durchgehende Risse gebildet haben. Wir haben den Eindruck, dass die Rissbildung nach dem Ausbau in Uruguay, wegen Undichtigkeit, durch das anschließende Polieren so richtig in die Gänge gekommen ist. Im Hinblick auf unsere bevorstehende Patagonienreise entschließen wir uns die Frontscheiben auszutauschen. In den Seitenscheiben zeigen sich auch schon die ein oder anderen Risse. Da die Scheiben deutlich kleiner als die Frontscheiben sind, werden wir ein Austauschen verschieben. Eine plexiglasverarbeitende Firma ist relativ schnell gefunden. Gegossenes 15 mm starkes Klarglas ist vorrätig und nach Vorlage unserer alten Scheiben in zwei Tagen zugeschnitten und gebohrt. Der Preis ist akzeptabel. Getönte Scheiben müssen bestellt werden, was mitunter bis zu 2 Wochen dauern kann. Da es in Europa getönte Scheiben nur noch bis 8 mm Dicke gibt und wir nicht wissen, wie es in den übrigen Ländern ausschaut, entscheiden wir uns für Klarglas. Den Ausbau und das Sichern der Fensterausschnitte mit einer Folie schaffen wir, geübt wie wir inzwischen sind, in einer Regenpause.
Die fertigen Scheiben können wir nach zwei Tagen wieder abholen. Ein Vergleich mit den alten Scheiben sieht nach einer gelungenen Arbeit aus. Motiviert starten wir mit dem Einbau. Wären die Durchgänge für die Schrauben mit Hilfe eines Bohrständers und nicht im Freihandverfahren gebohrt worden, hätten wir die Schrauben problemlos in die Löcher bekommen und alles wäre prima gewesen. Aber was klappt schon auf Anhieb? Also Scheiben wieder unter den Arm geklemmt und mit dem Taxi zu der nicht in der Nähe liegenden Firma gefahren. Nachdem Walter dem zum Glück englisch sprechenden Chef die Problematik erfolgreich auseinanderklamüsert und den Mitarbeitern eine Praxisstunde in der Technik am Bohrständer gegeben hat, werden die Bohrlöcher erfolgreich korrigiert.
Tank, einmal bitte entrosten
Dann ist da noch die Tankanzeige für den Wassertank, die noch viertelvoll anzeigt, obwohl der Tank schon leer ist. Wie sich herausstellt ist der kapazitivmessende Tankgeber defekt. Wenn man ihm glaubt, wird unser Wassertank nie leer. Wird er aber doch! Wir nutzen die Gelegenheit einen Blick in das Tankinnere zu werfen und sind erstaunt wie wenig Schmutz und Ablagerung vorhanden sind. Vor unserem Start Ende Oktober 2016 haben wir den Tank mit Amidosulfonsäure gespült und setzen bei jeder Tankfüllung CLO2 zur Wasserentkeimung zu. Das scheint zu wirken. Weniger schön ist allerdings, dass die Schweißnähte nach der Anfertigung des Tanks in Spanien augenscheinlich nicht von der Oxydschicht befreit wurden und erhebliche Rostspuren zeigen. Das kann so nicht bleiben.
Mit Maxi, eine Empfehlung unseres Lieblingsmarineros Marcelo, machen wir einen Glücksgriff. Trotz Pinselverlängerung ist es sehr aufwendig alle Ecken des Tanks zu erreichen. Die Schweißnähte werden gewissenhaft zweimal mit Beize behandelt und der Tank sieht aus wie neu. Für die nicht ungefährliche Arbeit braucht Maxi 2,5 Stunden.
Wieder auf Empfang
Unsere auf dem Masttop montierte LunaWLANnet Wifi-Antenne haben wir nach fast 3 Jahren nun endlich in Betrieb genommen. Die miese Verfügbarkeit und spärliche Datenrate über das Mobilfunknetz von Movistar (Claro ging gar nicht) hat bei Walter ausreichend Leidensdruck erzeugt, um den Router im Besenschrank zu montieren und anzuschließen.
Brot wie vom Bäcker
Nach einigen nicht geglückten Broten fristete der Brotbackautomat ein Dasein in einer Schrankecke und wartete auf seine Entsorgung. Wenn da nicht Walter wäre, der mich zu einem erneuten Testlauf überredet. Wir haben noch einiges an Dinkelvollkornmehl aus Brasilien, was ich auf keinen Fall zu einem misslungenen Brot verarbeiten möchte. Mich diesmal strikt an die Rezeptvorgabe im Begleitheft haltend, zaubert der Automat die schönsten Brote hervor. Er ist jetzt bei uns im Dauereinsatz und spart jede Menge Spiritus ein.