Golf der Sorgen

Caleta Mariúccia – Canal Abandonados – Isla Prieto – Patagonien/Chile
11302 sm von Stavoren/NL
2.03. – 11.03.2020

Golfo de Penas wird auf Wikipedia mit Golf der Schmerzen übersetzt. Uns gefällt die Übersetzung von Google, Golf der Sorgen, besser. Gute Wetterfenster sind nur von kurzer Dauer und schon kommt wieder der nächste Tiefausläufer, der die Querung der 50 sm breiten Bucht unmöglich macht. Starke Westwinde bauen hohe Wellen auf und die entstehende Strömung droht das Boot in Richtung Küste zu versetzen. Eine gefährliche Legerwall-Situation. Nach einem Sturm reduziert sich zwar die Wellenhöhe, aber mit ruppigen, unkomfortablen Seebedingungen ist fast immer zu rechnen. Wir sind nicht in Eile und wollen den Golfo möglichst schmerzfrei queren.

Caleta Yvonne S 48°39’81 W 74°19’31 und Seno Iceberg
Canal Messier – Punta Estación
Puerto Eden – Caleta Yvonne – 31 sm
2.03. – 3.03.20
Eine Wetterberuhigung auf dem Golfo de Penas könnte es in einer Woche geben. Alles noch Kaffeesatzleserei. Nach einer Woche Puerto Eden sind wir schon alle Stege in dem Dorf mehrmals abgelaufen und wollen weiter. Der letzte Gletscher auf unserer Route liegt am Ende des 12 sm langen Seno Icebergs. Er zieht sich zwar, wie andere Gletscher auch, deutlich zurück, hat aber noch eine bis zum Wasser reichende Gletscherzunge.
Der Anker kommt kelpfrei und ohne Probleme hoch. Es ist bewölkt. Das Sonnenlicht, das sich immer mal wieder seinen Weg durch Wolkenlücken bahnt, zaubert schöne Lichtspots auf die umliegenden Berge.
Die Engstelle Angostura Inglesa mit kleinen Inseln und Untiefen bestückt, liegt zwischen dem Festland und der Isla Wellington. Die 180 m breite Durchfahrt ist kein Problem, wenn man zur richtigen Tide hindurchfährt.
Im Canal Messier sichten wir das 133 m lange Schiffswrack CAPTAIN LEONIDAS. Der Captain wollte ganz schlau sein, verkaufte den Zucker, der sich auf dem Frachter befand und versuchte ihn im April 1968 hier im Fjord zu versenken. Gegenüber der Versicherung wollte er dann erklären, dass sich der Zucker nach der Havarie spurlos im Wasser aufgelöst hat. Unglücklicherweise blieb der leere Frachter auf einer Untiefe hängen und der trottelige Captain ging wegen versuchten Versicherungsbetrug in den Knast. Dumm gelaufen.
Am frühen Nachmittag fahren wir in die Caleta Yvonne. Das Wasser in der Bucht ist von dem nicht weit entfernten Gletscher Seno Iceberg milchig türkis gefärbt. Delfine sind auch wieder zur Stelle. Wir ankern auf 5 m und bringen zwei Landleinen aus. Von unserem Ankerplatz aus können wir auf den Canal Messier hinausblicken und sehen die zwei Masten des Katamarans KALIM. Sie kommen gerade vom Seno Iceberg und über VHF erfahren wir, dass sie ein wenig Pech mit dem Wetter hatten. Es hat die Sonne gefehlt, um den Gletscher ins rechte Licht zu rücken.

Seno Iceberg – Unser spektakulärster Gletscher
Gut zwei Stunden brauchen wir durch den Gletscherfjord, der von bewaldeten Berhängen gesäumt ist. Wir hoffen, dass sich bis zu unserer Ankunft eine blaue Lücke in der dichten Wolkendecke zeigt. Auf dem Weg zur Gletscherwand schwimmen ein paar riesige, grünlich schimmernde Eisblöcke an uns vorbei. Ich paddle mit dem Dinghy in Richtung Gletscher, um Fotos von der ALOMA vor der Eiswand zu machen. Wie auf Knopfdruck schiebt sich die Sonne durch Wolkenlücken hindurch und lässt das Eis des Gletschers in einem so intensiven Blau erstrahlen, wie wir es bislang bei keinem anderen Gletscher erlebt haben. Der Anblick ist überwältigend. Wir fahren durch das lockere Eisfeld hindurch bis dicht an den Gletscher heran und können uns an den eindrucksvollen Eis- und Felsformationen nicht sattsehen. Die lauten Geräusche von berstendem Eis lassen uns bald wieder respektvoll Abstand nehmen und wir machen uns auf den Weg zur Caleta Point Lay. Wir wollen versuchen, den Ankerplatz noch vor Sonnenuntergang zu erreichen.

Caleta Point Lay S 48°20’32 W 74°33’49
Canal Messier – Isla Little Wellington
Caleta Yvonne – Caleta Point Lay – 55 sm
3.03. – 5.03.20
Vom Canal Messier zweigt ein 1,5 km langer schmaler, dicht bewaldeter Fjord zum Ankerplatz ab. Walter muss klettern, um geeignete Bäume für die Befestigung der Landleinen zu finden. Unser bislang schwierigstes Leinenmanöver. Trotz allem ist die ALOMA schnell vertäut.
Der elektronische Windrichtungssensor, den Walter auf den Kanaren mühevoll wieder zum Laufen gebracht hat, funktioniert seit den Falklands nicht mehr. Hier in den Kanälen haben wir ihn bislang nicht vermisst, da wir die meiste Zeit unter Motor unterwegs sind. Sollten wir im Golfo de Penas guten Segelwind haben, wäre es hilfreich, wenn der Autopilot nach Wind steuern könnte. Morgen bleiben wir noch hier in der windgeschützten Caleta. Eine gute Gelegenheit in den Mast zu steigen.

Bei der gleichzeitigen Durchführung eines Riggchecks stellt Walter fest, dass an der unteren Steuerbordsaling die Schraube der Abschlussplatte lose ist. Kann man nicht alles oft genug checken. Vor dem Festziehen tröpfelt er ein wenig Schraubensicherung in den Spalt. War eine sinnlose Aktion, wie ihm später einfällt, da die Schrauben alle mit Tefgel eingesetzt sind.
Beim Zerlegen des Windsensors zeigt sich, dass Wasser eingedrungen und einiges korrodiert ist. Alles wird gereinigt und einige Drähte neu angelötet. Die ganze Fummelsarbeit ist allerdings erfolglos. Die Windrichtung wird nach wie vor falsch angezeigt und schwankt hin und her. Vielleicht ergibt sich in der nächsten Caleta nochmal eine Möglichkeit alles zu kontrollieren.

Caleta Lamento del Indio S 47°49’07 W 74°37’82
Canal Cronjé – Isla Zealous
Caleta Point Lay – Caleta Lamento del Indio – 33 sm
5.03. – 8.03.20
Kurz vor 9 Uhr lösen wir die Landleinen und gehen Anker auf. Bei Sonnenschein und 18 Grad motoren wir in die gut 30 sm entfernte Caleta Lamento del Indio. Von hier aus wollen wir gemeinsam mit der KALIM zur Querung des Golfo de Penas starten. Die Ankerbucht ist wunderschön und dicht bewaldet. Wir bringen zwei Landleinen aus, eine befestigen wir am gleichen Baum wie KALIM. Der nächste Tag ist ein Regentag. Walter nutzt eine Regenpause, um den Windgeber wieder vom Masttopp abzubauen.
Im Windgeber ist alles nass. Nachdem alles gereinigt und mit dem Fön getrocknet ist, wird der Windgeber mit 12 V versorgt und durchgemessen. Er zeigt perfekte und stabile Werte an. Nach der Montage auf dem Mast, funktioniert das blöde Ding trotzdem nicht. Bei nächster Gelegenheit werden wir uns einen neuen kaufen.
Marc von der KALIM funkt uns an. Der Baum, der unsere gemeinsamen Leinen hält, ist gebrochen. Wie sich herausstellt war er angesägt und alles andere als stabil.

Durch den Golfo de Penas – 179 sm – 31,5 Stunden
Caleta Mariúccia S 45°48’02 W 74°23’47
Canal Abandonados – Isla Prieto
Caleta Lamento del Indio – Caleta Mariúccia – 179 sm
9.03. – 11.03.20
Bei der Einfahrt in den Golfo haben wir mal kurz Regen. Dann kommt das angesagte schöne Wetter. Mit einer leichten Brise aus SW können wir ein Stück motorsegeln. Die KALIM läuft schon bei wenig Wind schnell und ist immer 5 – 10 sm vor uns. Ab 22 Uhr ist nur noch Mr. Yanmar im Einsatz. In der flachen, teilweise nur 50 m tiefen Bucht hat sich inzwischen eine ruppige Welle aufgebaut. Es sind gleich mehrere Schiffe mit Namen PATAGON IV, VII und VIII unterwegs. Alles spezielle Schiffstypen, die lebende Fische, insbesondere Lachs transportieren. Am häufigsten werden sie in der Aquakultur zum Transport des Fischbestandes von der Farm zur Fabrik verwendet. Ansonsten verläuft die Nacht ereignislos.
Die Caleta Millabú, die am Eingang der Bahia Anna Pink liegt, lassen wir links liegen. Wir sind so gut durch den Golfo gekommen, dass wir hier keinen Zwischenstopp einzulegen brauchen. Um 17:30 Uhr gehen wir in der gut geschützten und dicht bewaldeten Caleta Mariúccia vor Anker. Die KALIM liegt schon dort. Marc holt uns mit dem Ruderboot ab und macht zur Feier der Golfo Querung eine Flasche französischen Sekt auf. Am kommenden Tag regnet es. Wir bleiben noch hier. Spät abends sehen wir nicht weit von uns entfernt ein Ankerlicht. Haben wir gar nicht mitbekommen, dass noch ein Segler gekommen ist. Es der Belgier Captain Nico von der „PERD PAS LE NORD“. Wir funken ihn an. Er ist auf dem Weg nach Chacabuco, um dort zwei Gäste abzusetzten und seine Frau einzusammeln. Sie wollen zur Insel Chiloe.
In der Caleta Mariúccia haben wir zum ersten Mal seit der Caleta Rachel keine „Blutfliegen“ mehr. Dafür gibt es in den Kanälen des Nordens jede Menge stinknormale „Stubenfliegen“.

Bilder: https://aloma.koeln/feuerland-patagonien-bilderreise-teil-5/