Salvador da Bahia/Brasilien 5679 sm von Stavoren/NL
28.3. – 13.4.2018
Herr Jahn von H2O-Factory, den wir noch vor Ostern anrufen, bekräftigt Walters Vermutung. Es können nur defekte Hochdruck-Ventile sein, die für den nicht ausreichenden Druckaufbau bei der Wasserproduktion unseres Wassermachers sorgen. Da hoffen wir mal, dass Herr Jahn richtig liegt. Ventile, diverse O-Ringe und vorsichtshalber auch eine neue Membran werden mit UPS am 9.4. auf den Weg gebracht. Unsere Membran haben wir uns bei den zahlreichen Testläufen in Mindelo/Kapverden versaut. Eine umfangreiche Reinigung mit Soda hat nicht den erwünschten Erfolg gebracht. Laut Trackingverlauf soll das Paket Montag, 16.4. in der Marina „Centro Nautico da Bahia“ ankommen. Das wäre unschlagbar schnell. Aber noch ist es nicht da 😉 . Den Wassermacher haben wir nun stillgelegt und konserviert. Der Einbau der Ventile und ein Testlauf erfolgt nicht mehr hier in Salvador.
Unseren SailingGen prüfen wir nach Rücksprache mit Herrn Horn, dem Entwickler des guten Teils, auch nochmal auf Herz und Nieren und messen alles durch. Alle Werte sind unauffällig. Abweichend von den ursprünglichen Einbauempfehlungen, ist Herr Horn nun der Meinung, dass es nicht schaden würde, den Propeller testweise 10 cm tiefer unter die Wasseroberfläche zu bringen. Leichter gesagt als getan. Walter fertigt aus 15 mm Marinesperrholz eine Adapterplatte an, die zusätzlich mit Holzleisten verstärkt wird. Passende Schrauben müssen mühevoll in Salvador besorgt werden. Hier nur in A2 Qualität erhältlich. Da die Adapterplatte nun unserer Badeleiter im Weg steht, müssen wir auch hier noch eine Lösung finden. Testen können wir erst, wenn wir wieder unterwegs sind.
Mr. Yanmar rumpelt schon seit einiger Zeit auffällig laut vor sich hin und nervt. Die Motorlager, die Vibrationen des Motors dämpfen, sind nicht mehr die neuesten. Zwei hat Walter vor ca. 7 Jahren gewechselt, die zwei anderen haben schon 14 Jahre auf dem Buckel. Hier in Salvador gibt es einen Yanmar-Vertreter und es bestehen gute Chancen neue Lager zu bekommen. Mit einem Taxi lassen wir uns zu der Firma „Refriautos“ fahren und werden von einer sehr netten Büro-Crew in Empfang genommen. Bald erscheint auch Otavio Cravo, der Chef persönlich. In seinem Büro werden wir mit Kaffee versorgt und Otavio erzählt uns mit einer unglaublichen Reibeisenstimme von seiner Zeit in Berlin, seiner Segelleidenschaft, der beunruhigenden politischen Lage in Brasilien und der hohen Kriminalität. Hier im Büro hat keiner eine Uhr am Handgelenk, seinen Laptop holt Otavio nur bei Gebrauch aus einem sicheren Versteck hervor. Auf dem Schreibtisch liegt nur ein Fakehandy. Sein Freund wurde 2009 in einer Ankerbucht bei Itaparika in seinem Katamaran erschossen. Otavio war der erste, der ihn gefunden hat. Den Anblick wird er nicht mehr los und schließt sich seitdem nachts in seinem Segelboot immer ein und trifft einige weitere Vorkehrungen. In der Baia de Todos os Santos von Salvador kommt es immer wieder zu bewaffneten Überfällen aber glücklicherweise meistens ohne tödlichen Ausgang. Ist alles nicht sehr beruhigend. Otavio nennt uns einige wenige Buchten, in denen Ankern sicher ist.
Weiter erzählt er uns von seinem 95 jährigen Vater, einer der bedeutendsten brasilianischen Künstler. Eine riesige Skulptur, auf die wir von unserem Boot aus blicken, hat sein Vater Mario Cravo 1954 entworfen.
Nach einer guten Stunde kommen wir dann auf die Motorlager, dem eigentlichen Grund unseres Besuches, zu sprechen. Alles kein Problem. Die Lager sind in Sao Paulo vorrätig, der Preis mit 150 Euro/Lager fast wie in Deutschland. Wir ordern drei Stück, zwei neue haben wir noch an Bord und leisten eine Anzahlung. Über Whatsapp will er uns informieren, wenn sie da sind. Könnte in den kommenden drei Tagen der Fall sein. Wir sind gespannt. Octavio ordert für uns ein Taxi zurück zu unserer Marina und handelt mit dem Fahrer einen Festpreis aus. Unser Fahrer hat auf der Hinfahrt den Fahrpreis, durch einige unnötig gefahrenen Schleifen durch die Stadt, verdoppelt.
In der Marina „Centro Nautico da Bahia“ liegen wir an einem buntgemischten Steg, nach hinten mit Muringleinen gesichert. Dominique, ein Franzose, ist für die Organisation der Marina zuständig. Er unterstützt einen in allen Belangen und ist immer für ein Schwätzchen und Scherze zu haben. Die Marineros immer freundlich, helfen bei Anlegemanövern, reinigen für kleines Geld Unterwasserschiffe und sind für Instandsetzungsarbeiten in der Marina zuständig. Die Marina ist eingezäunt und wird 24 Stunden bewacht. Das Militärgelände ist direkt angrenzend. Wir fühlen uns in dieser Großstadtoase sicher.
Von unserem Cockpit aus blicken wir auf das vorgelagerte Forte de Sāo Marcelo, beobachten die zahlreichen Fährschiffe, die an den Wochenenden, vollgepackt mit brasilianischen Familien, zu der 45 Minuten entfernten Insel Itaparica schippern. Interessant ist die Rudertechnik, mit der sich die vorbeifahrenden kleinen Fischerboote und Holzkanus fortbewegen. Sie setzen überwiegend die Stehpaddel-Technik ein, die auf polynesische Fischer zurückgehen soll, die sich stehend vor Tahiti in ihren Kanus auf dem Meer fortbewegt haben.
Ein Eisvogel hat sich auf dem Bugkorb unseres holländischen Nachbarn niedergelassen und verspeist einen kleinen Vogel.
Kreuzfahrtschiffe legen auch hier in Salvador an.
Durch die immer wieder einsetzenden tropischen Regenfälle und den anschließenden Sonnenschein werden schöne Regenbogen an den Himmel gemalt. Um 17:30 Uhr geht die Sonne unter.
Einige Boote, die hier anlegen, sind wie wir in Richtung Patagonien unterwegs. Anna und Paolo aus Italien von der SY ZoomaX, die wir auf Fernando de Noronha kennengelernt haben, sind nicht lange in Salvador geblieben und schon auf dem Weg nach Süden. Pierre und Ping mit ihrer Tochter Rulin und ihrem Sohn Ruwan kommen aus Südafrika und sind mit ihrer SY Ithaca, mit einem Zwischenstopp auf der mitten im Südatlantik liegenden Insel St. Helena, in Salvador angekommen und wollen auch weiter nach Patagonien. Uns gegenüber am Steg liegt die SY Romlea mit Thea und Henk, mit dem gleichen Ziel. Es ist schön, Segler zu treffen, mit denen man sich über das gemeinsame Ziel austauschen kann.
Bis zum Eintreffen unserer Motorlager und den Ersatzteilen für unseren Wassermacher wollen wir keine großen Ausflüge machen. Wir beschränken uns auf die Erkundung der nächsten Umgebung. Armbanduhr, größere Geldbeträge und Bankkarten bleiben an Bord. Die gute Kamera nehme ich nur in Ausnahmefällen und mit großer Vorsicht mit. Unbeschwert genießen fällt Walter und mir schwer.
Salvador ist mit knapp 3 Millionen Einwohner nach São Paulo und Rio de Janeiro die drittgrößte Stadt Brasiliens. Mit Religiosität getränkt, gilt Brasilien weltweit als das Land mit den meisten Katholiken. Einen starken Zulauf haben inzwischen die Pfingstkirchen, die die Menschen mit ihren angeblich „plausiblen Lösungen“ anziehen. Daneben existiert der Candomblé, eine afrobrasilianische Religion. Die afrikanischen Wurzeln dieser Religion resultieren aus der Verschleppung der ca. 10-12 Millionen in die Sklaverei getriebenen Afrikaner, die ab dem 16. Jahrhundert und vor allem zwischen dem 18. und der zweiten Hälfe des 19. Jahrhunderts deportiert wurden. Geschätzte 40% der Verschleppten wurden auf dem Sklavenmarkt Salvadors verkauft. Die Einwohner Salvadors sind Nachkommen der Sklaven und aufgrund dieser Vergangenheit findet man hier den höchsten Anteil an schwarzer Bevölkerung in ganz Brasilien.
Die Stadt wurde auf verschiedenen Ebenen einer Bergkette erbaut. Cidade alte, die Oberstadt „Pelourinho“, cidade baixa, die ca. 70 m tiefer liegende Unterstadt. Der Elevador Lacerda, der 1873 eingeweiht wurde, transportiert die Menschen, gegen einen Obelus von umgerechnet 4 Cent, zwischen den beiden Ebenen hin und her. Es wird abgeraten den Weg zu Fuß zurückzulegen. Zu gefährlich! Von unserem Liegeplatz aus haben wir einen ungestörten Blick auf diese eindrucksvolle historische Sehenswürdigkeit. Um die Osterzeit herum wurde der Aufzug mit Einbruch der Dunkelheit in ein stimmungsvolles violettes Licht getaucht.
1985 wurde Pelourinho zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt und 1990 viele der schönen bunten Kolonialhäuser aufwendig restauriert. Auf den Plätzen zeigen Capoeira Kämper ihre brasilianische Kampfkunst und es gibt zahlreiche Restaurants auf den zentralen Plätzen und in den kleinen Gassen. Im Cuco Bistro, in der Nähe der Igreja de São Francisco, haben wir eine leckere Fischpfanne gegessen. Es gibt auch immer wieder Livemusik, überwiegend Sambarhythmen, die unüberhörbar bis zu uns ins Cockpit schallen. In der kleinen überschaubaren Altstadt verteilen sich 17 Kirchen. In ganz Salvador soll es insgesamt ca. 350 Gotteshäuser geben. Auf dem großen Platz Terreiro de Jesus mit der Basilika am Kopfende sind Getränke- und Essensstände aufgebaut, wo es unter anderem leckeren Caipirinha gibt. Alles sehr touristisch, aber ein kleiner Bereich in Salvador, den man, dank der bewaffneten Militärpolizei, die mit schusssicheren Westen an jeder Ecke steht, weitestgehend unbeschwert genießen kann. Die Bezeichnung Pelourinho kommt aus dem Portugiesischen und bedeutet Ort des Strafvollzuges sowie der Rechtsprechung.
Mit Ping und Pierre von der SY Ithaca machen wir einen Ausflug zu dem ca. 8 km entfernten offenen Markt „São Joaquim“. Die Gänge und Stände präsentieren sich schmuddelig und wenig einladend. In die offenen Mehlbehälter verirren sich Insekten und Staub und so manche Hand greift für eine Kostprobe ungeniert in die Säcke. Fleisch hängt bei 35 Grad offen an Fleischerhaken und ein großes Stück Leber liegt ungekühlt neben Pansen, um den Hunde streunen. Krabben gefärbt und ungefärbt liegen bergeweise herum, definitiv nicht durch Kühlung haltbar gemacht. Dazwischen werden Haushaltswaren und Kleidung aller Art angeboten. Gemüse und Obst wird auf Ladentischen kunstvoll gestapelt und ist so ziemlich das Einzige, was man mit einem guten Gefühl kaufen kann. An einem uns sympathischen Stand kaufen wir abschließend noch 1 kg geschälte Erdnüsse.
Ganz besonders freuen wir uns Karin und Reinhard von der 2nd Try – 2 wieder zu treffen. Wir haben sie auf der Insel Sal/Kapverden kennengelernt und in Mindelo wieder gesehen. Sie sind eine Woche vor uns zur Atlantikquerung nach Brasilien gestartet. Für zwei Tage liegen sie mit ihrem Boot in der Marina von Ribeira, wo wir sie besuchen. Ausgerechnet heute kommen immer wieder fette tropische Regenfälle runter. Das Taxi, mit dem wir nach Ribeira fahren, muss sich durch große Seen kämpfen. Die Kanalisation ist nicht in der Lage die Wassermengen abzuleiten. Auf der 2nd Try – 2 eingetroffen, hört der Regen auf und die Sonne scheint 🙂 . Wir bummeln entlang der netten Strandpromenade, essen etwas in einem Restaurant und trinken Caipairinhas mit Blick aufs Meer. Bevor wir mit dem Taxi wieder zurück zur Marina fahren, gibt es zum Abschluss des schönen Tages noch ein leckeres Eis.
Die Motorlager sind wie versprochen nach drei Tagen eingetroffen 🙂 ! Das noch nicht abgeschlossene Einbauerlebnis wird im kommenden Bericht geschildert!