Zwischenstopp in der Zivilisation

Puerto Consuelo – Estancia Eberhardt – Patagonien/Chile
10683 sm von Stavoren/NL
10.02. – 20.02.2020

Puerto Natales 51°44’48 S 72°30’27 W
E coast of Canal Senoret – Patagonien/Chile
Caleta Cascada – Puerto Natales – 32 sm
10.02. – 11.02.2020
Puerto Natales empfängt uns mit strahlendem Sonnenschein. Um Diesel zu tanken, darf man kurzzeitig an die Fischerpier. Die ist rappelvoll. Bunte Fischerboote in allen Größen haben teils in Viererreihe dicht an dicht festgemacht. Es ist kein Wind und vorerst auch keiner angesagt. Wir gehen daher erstmal südlich der Pier vor Anker. Schwäne mit schwarzen Hälsen und Köpfen, die es ausschließlich in Süd Amerika gibt, schwimmen in der Bucht.
Wir rudern mit unserem Beiboot an Land und finden nach längerem Suchen eine Lücke zwischen all den Fischerbooten, um an den Steg zu kommen. Die Pierverwaltung sitzt in einem kleinen Holzhaus direkt am Eingang des Hafengeländes. Um 17 Uhr können wir am Kopfsteiger der Pier anlegen, um Diesel zu tanken. Vorher ist einiges an Papierkram zu erledigen. Mit einem Formular der Pierverwaltung müssen wir zur Portverwaltung (Armada), um die 400 Liter Diesel autorisieren zu lassen. Mit dem abgestempelten Formular ordern wir den Diesel an der Tankstelle Copec. Dann geht’s wieder zurück zur Pierverwaltung. Der Tankwagen ist pünktlich da! Eine schnelle Aktion!
Ein Fischerboot läd gerade große pinkfarbene Säcke, prall gefüllt mit Kelp auf dem Steg ab. Die Algen, die wir häufig von unserem Anker säbeln müssen, werden zu Körperpflegemitteln und Nahrungsergänzungspillen weiterverarbeitet.

Puerto Natales hat 19000 Einwohner, ist ausschließlich auf Tourismus ausgelegt und wenig attraktiv. Der gut 100 km entfernte Nationalpark „Torres del Paine“ ist mit öffentlichen Bussen oder privaten Transportunternehmen erreichbar. Unterkünfte im Park sind auf Monate im voraus ausgebucht und uns zu teuer. Wir planen daher einen Tagesausflug in den Park zu machen und mieten uns für eine Woche ein Auto, um flexibler zu sein. Viele Anbieter haben keine Mietwagen mehr oder nur für maximal 3 Tage verfügbar. Letztendlich werden wir fündig. Kleine Autos gibt es allerdings nicht. Morgen wird uns für 80 Euro/Tag ein Chevrolet Tracker Jeep 4×4 nach Puerto Consuela, einer 20 km entfernten Ankerbucht gebracht, in der wir die kommende Woche verbringen werden.

An Restaurants, teils mit WiFi Netz ausgestattet, mangelt es nicht. Wir essen abends in einem kleinen, nicht ganz preiswerten Restaurant eine hervorragende Meeresfrüchtepfanne.

Puerto Consuelo 51°36’40 S – 72°39’65 W
Puerto Natales – Puerto Consuelo 12 sm

11.02. – 20.02.2020
Estancía Puerto Consuelo – Eine schöne Geschichte
Hermann Eberhard war ein Seemann aus Schlesien. Der Arbeit auf See überdrüssig, ging er in der Region Magallanes auf die Suche nach geeignetem Land, um sich als Schafs- und Rinderfarmer niederzulassen. Da er kein freies Land fand, ging er zunächst nach Rio Gallegos/Argentinien, um später gemeinsam mit seinem Schwager eine Expedition zu organisieren.
Im Sommer 1892 stachen sie mit ihrem Boot „Africa“ in See. Ihre Expeditionsgruppe hatte sich inzwischen um einige weitere Abenteuerlustige erweitert. Von der Bucht Isthmus im Smythkanal aus, die sie nach wenigen Tagen erreichten, starteten sie ihre anstrengende und kräftezehrende Expedition. Nach einem Monat erreichten sie das jetzige Puerto Natales und fanden die für Viehzucht gut geeignete große Wiesenlandschaft im Norden davon.
Im Herbst 1893 erhielt Hermann Eberhard vom Governeur von Magallanes die Bewilligung für die Landfläche, mit der Auflage die Viehzucht und die Bevölkerungsentwicklung der Region „Ultima Esperanza“ (Letzte Hoffnung) voranzutreiben. Heute leben auf der Estancía Hermann und Rudi Eberhard, die Enkel Eberhards.

Wir fahren in die 12 sm entfernte Bucht Puerto Consuelo. Die Bergketten tragen luftige weiße Wolkenketten. Das Wasser ist spiegelglatt und das durch die dünne Wolkendecke fallende Sonnenlicht zeichnet die Landschaft wie ein Aquarell. Das Panorama, welches sich uns bei der Einfahrt in die Bucht eröffnet, ist traumhaft. Schwarzhalsschwäne soweit das Auge reicht, runden das fantastische Bild ab.

Unser Ankerversuch ist nicht so fantastisch. Beim ersten Mal sind wir zu nah an dem französischen Katamaran KALIM, der schon seit gestern hier liegt. Also Anker wieder hoch und ein zweiter Versuch. Der Anker greift nicht. Beim über den Grund Rutschen fängt er riesige Mengen feines Gras ein, was sich auch in der fast 60 m ausgebrachten Ankerkette hartnäckig festsetzt. Wir brauchen eine halbe Stunde, um den ganzen Mist zu entfernen. Der dritte Ankerversuch ist erfolgreich!

Wir rudern an Land, um die Eberhards um Erlaubnis zu fragen, Beiboot und Mietwagen auf ihrem Grundstück abstellen zu dürfen. Hermann Eberhard kommt gerade mit dem Auto um die Ecke gebogen. Er spricht deutsch, ist freundlich aber distanziert und hat nichts gegen das Parken von Beiboot und Auto.

Ein Ausflug zum Perito Moreno Gletscher/Argentinien
Für die kommenden Tage ist Regen in Puerto Natales und im Nationalpark „Torres del Paine“ angesagt aber Sonnenschein in Argentinien! Wir holen uns beim Autovermieter die erforderliche Genehmigung für die Einreise nach Argentinien. Diese müssen wir sowohl bei der Ausreise als auch bei der Einreise von Chile und Argentinien abstempeln lassen. In El Calafate buchen wir für eine Nacht ein Zimmer. Das Hotel liegt direkt am Lago Argentino, in den der Gletscher Perito Moreno kalbt.

Über 400 km führen uns über meist asphaltierte Landstraße durch öde patagonische Steppenlandschaft. Zäune ziehen sich über die gesamte Strecke, die Steppe von der Straße trennend, um zu verhindern, dass Tiere unter die Räder geraten. Nervige Dirtroad ist nur zwischen der chilenischen und argentinischen Grenze. Ich sichte mehrere grasende Guanakos. Sie gehören zu der Gattung der Lamas, sind wildlebend und kommen vor allem im Westen und Süden Amerikas vor. Wir machen einen Fotostopp. Die Autotüre bekomme ich nur mit Mühe auf. Der Wind bläst kräftig.
Bevor wir unser Hotel suchen, tanken wir noch am Ortseingang von El Calafate. Die Mappe mit den Einreiseformularen, die ich in das Fach der Beifahrertüre gesteckt habe, ist da nicht mehr. Vom Winde verweht und wahrscheinlich schon von einem Guanako aufgefuttert. Ja, ich weiß, das Fach in der Beifahrertüre ist kein geeigneter Platz für wichtige Unterlagen!! Ruhe bewahren und überlegen wie wir aus dem Schlamassel wieder raus kommen!
Wir informieren den Autovermieter, der uns per Email neue Formulare an die Hoteladresse schickt. Abwarten, ob wir ohne großen Stress über die Grenzen kommen.
Jetzt genießen wir erstmal die Aussicht aus unserem Hotelzimmer mit Blick auf den Lago Argentino, der durch das hineinfließende Gletscherwasser in einem leuchtenden Türkis in der Sonne strahlt.

„Campo de Hielo Sur“ ist das größte Gletschergebiet Patagoniens und das größte auf der Südhalbkugel außerhalb der Antarktis. Der Perito Moreno ist mit 258 km² nicht der größte, aber der spektakulärste Auslassgletscher dieses riesigen südlichen Eisfeldes. Er ist einer der wenigen Gletscher in der Region, der nicht schrumpft. Das ewige Eis schiebt sich in den Lago Argentino und türmt sich an der 5 km langen Abbruchkante bis zu knapp 80 m hoch. Wir starten frühzeitig am nächsten Tag zu dem 80 km entfernten Nationalpark Los Glaciares und hoffen dem größten Touristenansturm zu entkommen. Schon aus der Ferne ist der Anblick des Perito Moreno Gletschers überwältigend.
Auf dem Parkplatz stehen eine handvoll Autos, weit und breit kein Touristenbus zu sehen. Stege, die einen über mehrere Ebenen führen, ermöglichen es, den Gletscher aus verschiedenen Perspektiven zu bestaunen. Das blaue Eis blitzt durch die Bäume und auf der untersten Ebene angekommen, sind wir von den unglaublichen Dimensionen des Gletschers beeindruckt. Immer wieder lösen sich Eisbrocken mit lautem Getöse von der Eisfront, leider nicht in unserem Sichtbereich.
Inzwischen hat sich der Parkplatz mit Autos und Reisebussen gefüllt. Wir hatten Glück und die Stege und Aussichtsterrassen fast für uns ganz alleine. Die weite Anfahrt hat sich gelohnt und der Perito Moreno Gletscher wird definitiv in die Liste unserer Highlights aufgenommen.

Der junge Mitarbeiter an der argentinischen Grenze schaut abwechselnd auf unser stempelloses Formular und auf den Computer. Wir halten unsere Klappe. Er fragt seinen älteren Kollegen, der gleiche wie auf der Hinfahrt, um Rat. Der ist augenscheinlich auch ein wenig irritiert wegen des fehlenden Einreisestempels. Winkt dann aber ab, das Formular wird gestempelt und uns zurückgegeben. Das es so problemlos abläuft, hätten wir nicht gedacht. Erste Hürde ist geschafft.
An der chilenischen Grenze sitzt der gleiche, gut englisch sprechende Mitarbeiter wie bei der Ausreise. Nachdem er immer wieder fragend das Formular und den Computer anstarrt und sich den fehlenden Ausreisestempel nicht erklären kann, erzählen wir ihm unser Missgeschick. Auch hier ist alles kein Problem. Jetzt haben wir wieder für weitere 90 Tage eine Aufenthaltsgenehmigung für Chile.
Am Sonntag kommt die französische FRATELLI mit Ronan, Alain und zwei Freunden an Bord in Puerto Consuelo an. Wir nehmen Ronan und Bruno, die mit einigen Dieselkanistern bepackt sind, im Auto mit nach Puerto Natales. Nach kurzem Suchen finden wir einen Autovermieter, der einen passenden Mietwagen für die Franzosen hat. Wir kaufen noch jede Menge Proviant für unsere Weiterfahrt am Donnerstag ein. Puerto Eden, den nächsten Stopp mit eingeschränkten Einkaufsmöglichkeiten werden wir in ca. 5 Tagen erreichen.
Heute Abend sind wir bei der französischen Männercrew zu Steak und Pasta eingeladen.

Hinauf zu den Türmen
Das Wetter ist heute mit Sonne Wolken, am späten Nachmittag Regen, abends Starkwind, durchwachsen. Einen besseren Tag für den Nationalpark Torres del Paine gibt’s nicht mehr. Morgen ist für den ganzen Tag Starkwind und Regen angesagt. Bis zum Parkeingang sind es 70 km, meist über holprige Dirtroad. Das der Eintrittspreis nur cash bezahlt werden kann, ist uns irgendwie durchgegangen. Unser Bares reicht auf den Cent genau. Nichts mehr übrig für einen späteren Imbiss oder ein Getränk. Bis zum Ausgangspunkt der Wanderung sind es nochmal 50 km.
Julia und Nico aus Deutschland, die mit Rollkoffer und Rucksäcken bepackt am Wegesrand stehen freuen sich, dass wir sie mitnehmen. Die beiden haben sich eine Reiseauszeit genommen, hier im Park einen Zeltplatz in einer Campingarea gebucht und wollen wie wir die Wanderung hinauf zu den Torres del Paine machen. Der Name kommt aus der Sprache der Tehuelche-Indianer, den Ureinwohnern Patagoniens, und bedeutet soviel wie „Türme des blauen Himmels“. Blauen Himmel sieht man hier allerdings nicht so häufig. Für die Wanderung zu den drei, zwischen 2600 und 2850 m hohen nadelartigen Granitbergen muss man je nach Kondition insgesamt 7 – 8 Stunden einplanen. Von gut trainiert sind wir weit entfernt und hoffen, dass wir uns nicht zuviel vorgenommen haben.
Noch sind die Speicher voll und ich komme prima voran. Noch 45 Min. bis zu den Türmen, steht auf dem Holzschild. Das sollte machbar sein. Meine Zuversicht schwindet schnell, als ich beginne mich über das Steinfeld hinaufzuquälen. Wir erreichen einen Aussichtspunkt, von wo aus die Türme mit ihren von Wolken verhüllten Spitzen zu sehen sind. Schon eindrucksvoll. Bis zu dem nach dem schwedischen Geologen Otto Nordenskjöld benannten Lago Nordenskjöld, der südlich der Torres liegt, gehen wir nicht mehr. Regen mit Schnee vermischt, Sturm und die Schließungszeit des Parks im Nacken lässt uns zurückgehen. Meine Beine werden immer leerer. Das mitgenommene Wasser ist etwas knapp berechnet. Die Riegel bald aufgegessen. Wir sind froh unsere Wanderstöcke eingepackt zu haben, ohne die ich wahrscheinlich das Auto nicht mehr erreicht hätte. Für die 22 km mit 1100 hm haben wir 7,5 Stunden gebraucht. Klatschnass und die Heizung auf höchste Stufe gestellt fahren wir 15 Minuten vor Schließung aus dem Park.

Um 20:30 Uhr rudern wir bei viel Wind zurück zur Aloma. Das Beiboot bekommen wir nur mit Mühe auf Deck gewinscht. Die KALIM ist inzwischen weitergefahren. Die kommende Nacht und den kommenden Tag bläst es mit bis zu 50 kn. Eine Böe legt die ALOMA auf die Seite, so dass die Kaffeekanne und eine volle Teetasse vom Tisch gefegt werden. Eine riesige Sauerei. Vorsichtshalber sichern wir alle Schubladen und Schränke.

Am Mittwoch hat der Wind zum Glück soweit nachgelassen, dass wir das Mietauto zurück nach Puerto Natales bringen können. Beim Einsteigen schlägt mir eine Windböe die Autotüre auf die Nase. Es knirscht heftig und blutet wie Sau. Fühlt sich an wie gebrochen. Die Nase sieht nicht krummer aus als vorher. Nur nicht dran wackeln! Ein langer Katsch wird eine Weile die linke Seite meiner Nase zieren. Nachdem wir das Auto zurückgebracht haben, gehen wir zur Armada, um uns abzumelden. Es wird ein neues Zarpe für die Weiterfahrt durch die Kanäle ausgestellt. Mit einem Taxi und Rucksäcken voll mit Proviant fahren wir zurück nach Puerto Consuelo. Die FRATELLI geht gerade Anker auf und kämpft mit den riesigen Grasbüscheln an Anker und Kette.

Wir stehen am kommenden Tag um 6 Uhr auf, um die 76 sm bis zur Caleta Columbine noch vor Sonnenuntergang zu schaffen. Mit Einsatz der Deckwaschpumpe und Säge schaffen wir es, die große Grasmenge relativ schnell von Kette und Anker zu beseitigen.

Bilder: https://aloma.koeln/feuerland-patagonien-bilderreise-teil-3/