Alte Farbe, neue Mastschiene und lange Liste

Victoria B.A./Argentinien 8008 sm von Stavoren
April/Mai 2019

Farben so alt wie guter Wein
Bootszubehör jeglicher Art, Farben, Antifouling . . . ! „Wenn ihr etwas braucht, in Argentinien bekommt ihr alles“, versprechen uns Segler, die bereits in Argentinien waren oder zurzeit in Argentinien sind. Das hört sich doch gut an 🙂 ! Wir sind seit Anfang Februar im Segelclub Barlovento in Victoria, Großraum Buenos Aires. Am Ufer des Rio Luján reiht sich ein Segelclub an den anderen. In den Häusern, die Fenster vergittert, umgeben von Zäunen und Mauern, die oftmals noch zusätzlich mit elektrischen Drähten und/oder NATO-Draht gesichert sind, wohnen keine Armen. Sicherheitspersonal, das rund um die Uhr in Wachhäuschen an fast jeder Straßenecke sitzt und überall installierte Kameras, sorgen für zusätzliche Sicherheit.

Ein Farbengeschäft, direkt um die Ecke gelegen, preist auf seinem Firmenschild vielversprechend, im Originaldesign des Herstellers, unter anderem Produkte von International an. Der Laden steht nicht auf der Liste der offiziellen International-Händler. Ein offizieller Akzo Nobel Händler sitzt in Buenos Aires, verkauft die von uns gewünschten Produkte aber nicht und verweist uns an den Laden hier in Victoria. Wir brauchen Interdeck, um unser Deck wieder rutschfester zu machen, Goldspar Satin für Boden und Holzeinbauten und Interprotect Epoxy Primer. Es sind alles Produkte von International. Das Regal ist übersichtlich sortiert. Interprotect gibt es nur in einem 2,5 l Gebinde, Interdeck haben sie nicht, könnten sie aber bestellen. Wir haben uns nicht verhört! Die Lieferung würde 8 Monate dauern!? Von Goldspar Satin stehen einige Dosen im Regal. Wir nehmen vier mit, für mehr als den doppelten Preis wie in Deutschland.

Alejandro, Mitglied im Segelclub Barlovento, weiß wo man in Victoria und Umgebung Bootsbedarf und andere Dinge, die man benötigt, eventuell bekommen könnte. Er weiß auch, dass der International Laden oftmals abgelaufene Produkte anbietet und die Herstellungsdaten mit neuen Daten überklebt. Uups, da schauen wir uns die erworbenen Lackdosen doch mal etwas näher an. Ein Herstellungsdatum ist auf den Dosen nicht zu finden. International arbeitet mit Codes. Für den kleinen Endverbraucher nicht lesbar. Zur Entschlüsselung der Zahlen- und Buchstabenkombination auf dem Dosenboden gibt es keinerlei Hinweise auf der Webseite von International und auch ein Anruf bei der deutschen Niederlassung ist nicht erfolgreich. Eine schriftliche Anfrage bei International Deutschland bleibt bis heute unbeantwortet. Wir haben den Eindruck, dass eine Entschlüsselung nicht gewünscht ist. Erst nach umfangreichen Internetrecherchen findet Walter eine von einer Privatperson eingestellte Liste mit allen Codes und dem dazugehörigen Herstellungsjahr. Eine Dose Goldspar-Lack mit dem Code LC 7890UF ist von März 2010 (L für 2010, C für März ) und drei Dosen mit dem Code MC 8073UF sind von März 2011 (M für 2011, C für März). Die vom Hersteller angegebene Lagerzeit beträgt zwei Jahre. Die Bestätigung liefert ein Anruf bei „International Technical Enquiries“ in San Diego, USA. Nummer gewählt, der weibliche Erstkontakt gibt nach Nennen der Codes spontan das mit unserer Liste aus dem Internet übereinstimmende Herstellungsjahr an. Keine Sprüche wie, „Wir können darüber leider keine Auskunft geben, wenden Sie sich an …“ oder „Ich verbinde sie mit einem zuständigen Mitarbeiter“!  Einiges funktioniert im TrumpLand hervorragend! Alle vier Töpfe gehen zurück in den Laden. Bis auf wenige Dosen im Regal, sind alle International Produkte gnadenlos überaltert. Wir machen den Ladeninhabern klar, dass es betrügerisches Vorgehen ist, was sie hier betreiben, und dass wir unser Geld zurück haben wollen. „Betretenes“ Schweigen und anstandslose Rückerstattung. Immerhin das!

Bei einem Hempelladen im 4 km entfernten San Isidro versuchen wir nochmal unser Glück. Hier werden wir auch nicht fündig. Von der 2K-PU Farbe, die im Regal steht, gibt es inzwischen das 4. Nachfolgeprodukt.

Die im Mai geplante Überfahrt nach Juan Lacaze/Uruguay, um die Aloma dort an Land zu stellen und während unseres Deutschlandaufenthaltes im Juni Lackarbeiten von Ricardo durchführen zu lassen, hat sich nun erledigt. Nur um Antifouling zu streichen, lohnt sich der ganze Aufwand nicht, zumal wir Ende Mai von Buenos Aires aus nach Deutschland fliegen. Problem ist, dass die Aufenthaltsdauer für das Boot im Juni abläuft.
Als wir Anfang Februar erstmalig in Argentinien angekommen sind, haben wir und das Boot bei den Behörden in Buenos Aires eine Aufenthaltsdauer von 90 Tagen, also bis Anfang Mai erhalten. Während unserer vierwöchigen Radtour in Patagonien bekamen unsere Pässe, aufgrund der Ausreise Anfang März nach Chile und der erneuten Einreise Mitte März nach Argentinien, neue Stempel mit einer Aufenthaltsgenehmigung für weitere 90 Tage bis Mitte Juni. Nach unserer Rückkehr mussten wir uns wieder bei der Aduana (Zoll) zurückmelden. Die Aufenthaltsdauer für das Boot wurde nicht wie erwartet für weitere 90 Tage bis Anfang August verlängert, sondern an unsere Aufenthaltsdauer angepasst. Durch unsere Deutschlandreise Ende Mai, bekommen wir nach Einreise in Argentinien automatisch wieder 90 Tage. Also für uns kein Problem, aber für das Boot.

Das bedeutet mit Boot ausreisen und wieder einreisen, um für das Boot weitere 90 Tage zu bekommen. Darauf haben wir überhaupt keine Lust. Eine zweimalige Verlängerung ist in Argentinien aber nicht möglich. Wir fahren trotzdem zur Aduana nach Tigre. Fragen kostet nichts. Es sitzen die gleichen zwei netten Damen dort, wie bei unserem letzten Besuch. Nach einem anfänglichen „Eine weitere Verlängerung ist nicht möglich“, schauen sie sich den Vorgang nochmal genau an und wundern sich, dass das Boot zuletzt nicht um 90 Tage verlängert wurde. Wir haben Glück! Die alten Formulare werden vernichtet und die Aloma darf nun bis zum 11. August in Argentinien bleiben. Nach dem damaligen Behördenwahnsinn in Buenos Aires, sind wir mit Argentinien wieder etwas versöhnt 😉 !

Mastschiene mal schnell montiert
Gebrochene Rutscher und mehrfach gehimmelte Kopfbrettrutscher haben uns zu neuen Überlegungen gezwungen. Letztendlich haben wir uns für eine Mastschiene von Harken entschieden, die wir über die Firma Peter Frisch in München geordert haben (https://aloma.koeln/wp-admin/post.php?post=8452&action=edit).

Auf dem Deck liegen sieben Mastschienen, jede 2,05 m lang. Die Anleitung verspricht eine schnelle Montage. „In einem Tag ist alles erledigt“, meint Walter. Kein Kommentar zu der sportlichen Zeiteinschätzung des Bordingenieurs 😉 ! Nach Vermessen der Mastnut kürzen wir eine achte Schiene entsprechend ein, die ganz nach oben geschoben werden muss. Nutensteine müssen nun in die Mastnut eingefädelt und die einzelnen Tracks daran festgeschraubt werden. Die Nutensteine, für 8 – 11 mm breite Nuten ausgelegt, klemmen stellenweise in unserer 8 mm breiten Nut. Die Zeiteinschätzung gerät ins Wanken. Bei einer Bearbeitung mit einer Feile, würde die Zeitplanung völlig aus dem Ruder laufen. Also klettert Walter, ausgestattet mit einem Winkelschleifer, in den Mast und bearbeitet die kritischen Stellen erfolgreich mit einer Fächerscheibe.

Das Einfädeln kann beginnen. Wie sich dann zeigt, ist es nicht so einfach wie in der Anleitung dargestellt, die Nutensteine in die Nut und an die richtige Stelle zu bekommen. Mit einem Spachtel, wie empfohlen, geht es überhaupt nicht. Letztendlich ist ein Schaschlikspieß die Lösung. Meine Aufgabe ist es, die Schraube mit Schraubensicherung zu versehen und an Walter zu übergeben, den Nutenstein einzufädeln und ihn mit dem Schaschlikspieß hinter das Schraubenloch der Mastschiene zu bugsieren, wo Walter dann versucht das Gewinde des Nutensteins mit der Schraube zu erwischen. Schaschlikspieß dann vorsichtig wegziehen. Wenn sich der doofe Nutenstein verklemmt oder vom Spieß rutscht, geht’s wieder von vorne los. Sind alle Nutensteine einer Schiene erfolgreich befestigt, wird diese soweit nach oben geschoben, bis die nächste darunter passt. Wenn sie sich denn hochschieben lässt. Sind die Nutensteine zu locker angeschraubt, verkippen sie und verklemmen sich in der Nut. Sind sie zu fest angeschraubt, bewegt sich auch nichts. Festschrauben und eine Umdrehung wieder lösen, dann läuft’s.

Nutenstein mit Schaschlikspieß vorsichtig hinter

das Schraubenloch bringen

Wir brauchen zwei Tage, um alle Schienenteile zu befestigen und dann festzustellen, dass die obere Schiene etwas mehr hätte eingekürzt werden können. Das Einfädeln des Segels funktioniert zwar, ist aber nicht ganz komfortabel. Schlimmer ist, dass das Fall an der Endkappe des oberen Schienenteils schleift. Wir demontieren das obere Schienenstück und kürzen es ein. Der mehrstündige Versuch, dieses wieder in situ zu montieren scheitert. Also, alle ca. 130 Schrauben der Schienen wieder lösen, Schienen raus und die ganze Prozedur nochmal von vorne. Wir wissen ja jetzt wie es geht! So viel zum Zeitmanagement 😉 !
Beim Anschlagen des Großsegels stellen wir mit Entsetzen fest, dass wir zu wenige Zwischenrutscher geordert haben. 5 Stück fehlen. No Comment 😉 ! Einen bekommen wir bei North Sails, dem Harkendealer vor Ort. Der Segelmacher gleich um die Ecke zeigt Walter, wie die Zwischenrutscher mit Gurtband verbunden werden und schenkt ihm geharztes Segelgarn für diesen Zweck.

Lange argentinische Ausrüstungsliste
Segelyachten, die Argentinien verlassen, müssen sich vorab durch eine lange Liste mit erforderlichen Ausrüstungsgegenständen arbeiten. Kurz bevor man Ablegen möchte, nicht früher, überprüft ein Mitarbeiter der Prefuctura, ob alle Anforderungen erfüllt sind. Also rechtzeitig mit dem Abarbeiten beginnen, wenn die Abfahrt nicht unnötig verzögert werden soll. Viele der geforderten Dinge haben wir an Bord. So verrückte Sachen, wie unter anderem zwei Rettungsringe mit Leine, eine Glocke und ein Satz internationaler Signalflaggen fehlen auf der Aloma. Mal sehen, wie wir uns da herausmanövrieren. Handfackeln und Leuchtraketen sind abgelaufen und müssen erneuert werden. Die erforderliche Rettungsinsel muss bei Verlassen Argentiniens gewartet sein, ebenso die Feuerlöscher. Beides ist abgelaufen. In Deutschland gibt es für privat genutzte Segelboote keine Ausrüstungspflicht. Es interessiert also keinen, ob Rettungsinsel und Feuerlöscher gewartet oder überhaupt vorhanden sind.

Die Wartung von Rettungsinsel und Feuerlöscher lassen wir bei der Firma IDPSA in Munro B.A. durchführen. Wir wollen bei der Wartung der Rettungsinsel auf jeden Fall dabei sein, was kein Problem ist.

Das ist nicht unsere Insel 😉 ! Gehört zu einer kleinen Fähre.

Insel verpackt an Deck

Das ist

unser kleines

Notfallheim