Aluguer, Kajakstress und eine neue Insel

Mindelo auf Santo Vicente/Kapverden 3513 sm von Stavoren/NL
3.02. – 7.02.2018

3.02.2018
Der kräftige Wind, der seit fast zwei Wochen nervt, lässt keine wirkliche Wanderlust aufkommen. Hinzu kommen die heftigen Fallböen, die über die steilen Berghänge in die Ankerbucht von Tarrafal fegen. Bei 8 m Wassertiefe haben wir an unserem 35 kg Bügelanker 60 m Kette gesteckt. Trotzdem lassen wir das Boot unter diesen Bedingungen nicht gerne längere Zeit alleine. Um ein wenig von São Nicolau zu sehen, fahren wir heute mit einem Aluguer in die knapp 30 km entfernte Hauptstadt Ribeira Brava. Die preiswerten Sammeltaxen, die wir schon von Palmeira her kennen, kurven auch durch Tarrafal. Ein freies Aluguer ist schnell gefunden. Diverse Pakete und Eimer werden von Fahrgästen hinter der letzten Sitzreihe verstaut, dem Fahrer wird noch ein Blumenkranz in die Hand gedrückt und nach mehreren Runden durch den Ort ist das Aluguer fast voll und es geht endlich los. Wir fahren durch die schöne abwechslungsreiche Gebirgslandschaft von São Nicolau. Zwei Männer steigen an einem Haus aus, welches alleine in der Vulkanlandschaft steht. Bei einer jungen Frau, die an der Straße entlangspaziert, wird kurz angehalten und angefragt ob sie mitfahren möchte. Schon hat das Aluguer wieder einen neuen Fahrgast. In der nächsten Ortschaft macht sich der Fahrer an einem Haus hupend bemerkbar und jemand freut sich über den Blumenkranz.

In den Ortskern von Ribeira Brava geht es durch sehr enge Gassen. Zwischen den Häuserfronten und den Außenspiegeln ist nicht mehr viel Platz. Auf dem zentralen Platz des Ortes, wo wir auch aussteigen, dreht sich ein Hulk quietschend im Kreis und soll auf den bevorstehenden Karneval einstimmen. Der hässliche grüne Kraftprotz verunstaltet den ganzen Kirchplatz. Ribeira Brava ist etwas kleiner als Tarrafal und hier ist der Hund begraben. Mag vielleicht daran liegen, dass wir schon Nachmittag haben. Morgens geht es hier wohl geschäftiger zu. Jetzt sind die wenigen Lädchen und die Markthalle dicht und ein offenes Restaurant suchen wir vergeblich. In einem kleinen Café gibt es noch ein kleines Stück Kuchen und einen mittelmäßigen Kaffee. Die wenigen Straßen sind schnell abgelaufen, es ist bewölkt und warm ist es auch nicht gerade. Wir machen uns auf die Suche nach einem freien Aluguer zurück nach Tarrafal. Wir sind erst einmal die einzigen Fahrgäste. Es dauert eine Weile, bis der Fahrer mit der Auslastung zufrieden ist und losfährt.

Kirchplatz mit Hulk

Hulk vor Gebirgskulisse

Eine Herausforderung für Autos

Seitengasse

schmale Gassen in Ribeira Brava

Aluguer: Warten auf die Abfahrt

Während der Rückfahrt schiebe ich an meinem Fensterplatz immer mal wieder kurz die Scheibe auf, um ein paar Eindrücke mit der Kamera festzuhalten. Der kräftige Wind der hineinbläst ist kalt. Wir fahren durch die fruchtbare Fajã Ebene, wo Brotfruchtbäume, Papaya und Bananen gedeihen. Für die Aluguers gibt es keine Fahrpläne und anscheinend auch keine vorgeschriebene Strecke. Auf Wunsch eines einzelnen Fahrgastes biegen wir auf einen schmalen grob gepflasterten Weg ab und rumpeln zu der kleinen Siedlung Quemadas. Kühe verzögern die Weiterfahrt, aber das stört hier keinen. Ein schöner Abstecher. Bald sind wir wieder zurück auf der Hauptstraße und erreichen Tarrafal ohne weitere Umwege.

Preguiça

Papayabaum

Bananenbäume

Abstecher nach Quemadas

Quemadas

Nettes Haus

kleines Haus

Haus mit Vorgarten

schöne Gebirgslandschaft

und Felsformationen

Wüstenlandschaft

Unser Aluguer

4. – 6.02.2018
An den kommenden Tage frischt der Wind noch mehr auf. Bei Fallböen bis 8 Bft drehen wir ständig Kreise um den Anker und nicht gesicherte Gegenstände rutschen von der Arbeitsfläche in der Pantry. Bei dem Wind paddeln wir nicht an Land und legen zwei Bordtage ein. Für Mittwoch sind vorübergehend nur noch 5-6 Bft angesagt, danach soll es wieder deutlich auffrischen. Den Tag wollen wir für unsere Weiterfahrt nach Mindelo nutzen. Problem ist nur, dass wir uns noch bei der Polizei abmelden und unsere Bootspapiere abholen müssen. Vielleicht ist der Wind ja gnädig mit uns und legt eine kleine Pause ein.

Am kommenden Tag bläst es unvermindert weiter, mit deutlich kürzer getakteten Fallböen. Da müssen wir nun durch 😉 . Wir schaffen es nicht, das Kajak auf Kurs zu halten und haben einige Mühe den Strand zu erreichen. Der Ausstieg ist auch nicht ganz einfach, da sich eine leichte Brandung aufgebaut hat. Lucas, unser Bootsjunge hat alles im Blick und hilft beim Anlanden. Die Formalitäten bei der Polizei sind wieder schnell erledigt.  Wir kaufen noch ein paar Kleinigkeiten ein und essen ein letztes Mal Mittagstisch bei „Golfinho“. Das Kajak bei der Brandung ins Wasser zu bekommen und einzusteigen ist nicht ganz einfach und misslingt. Zuerst tauche ich unter, dann folgt Walter 🙂 . Irgendwie schaffen wir es zurück zur Aloma. Jetzt wartet noch die undankbare Aufgabe auf uns, das Kajak zu säubern und wieder zu verpacken. Bei dem Wind wird die Säuberungsaktion zu einer großen Herausforderung. Dank Deckwaschpumpe  nehmen wir erst einmal eine Vorreinigung mit Salzwasser in Angriff. Unmengen an schwarzem Sand breiten sich auf dem Vordeck aus. Mit einem Eimer Süßwasser und Lappen wird nachgewischt.  Dabei stellen wir fest, dass sich noch jede Menge Sand in allen möglichen Ritzen versteckt hat. Die Aktion Deckwaschpumpe  und Eimer mit Süßwasser wird noch zweimal wiederholt. Nach zwei Stunden liegt das Kajak verpackt in unserer Staukabine und wir sind fix und fertig. Außer unserer Törnplanung für morgen machen wir heute nichts mehr.

7.02.2018
Tarrafal/São Nicolao nach Mindelo/Santo Vicente – 49 sm – 7:30 h
Um 10 Uhr gehen wir bei deutlich weniger Wind als in den vergangenen Tagen Anker auf und setzen schon einmal vorsorglich das Großsegel im zweiten Reff. Nachdem wir aus dem Windschatten von São Nicolao hinausmotort sind, rollen wir auch noch ein paar Quadratmeter Genua 3 aus. Eine voraussegelnde Pogo 30, die auch in der Ankerbucht von Tarrafal gelegen hat, kommt immer näher. Inzwischen hat, bedingt durch den Kapeffekt, der Wind bis auf 38 kn (Ende 8 Bft) aufgefrischt und macht das Segeln auf unserem Am-Wind-Kurs nicht spaßig. Eigentlich müsste das 3. Reff ins Groß, aber vielleicht ist es ja nur vorübergehend und wird wieder weniger. Wird nicht weniger. Wir machen häufig über 9 kn und auch mal mehr als 10 kn, schieben bis zu 45 Grad Lage und hängen die Rennziege Pogo 30 ab 🙂 . Sie verschwindet in unserem Kielwasser und ist bald nicht mehr zu sehen. Mein nicht geklebtes Scopodermpflaster zeigt auch seine Wirkung 🙁 . So viel Wind haben wir bislang noch nicht erlebt, schon gar nicht auf einem Am-Wind-Kurs. Die Schalen mit den bei noch ruhigen Bedingungen zusammengerührten Joghurts mit Obst und Müsli stehen unbewegt auf der rutschfesten Matte. Zum Glück segeln wir auf dem Backbordbug, wo auch die Pantry ist.

immer wieder 9 Knoten

Vorerst kein Sand mehr auf der Aloma

Es nützt nichts, Walter begibt sich eingepickt zum Mastkorb. Mit einer zweiten Lifeline ausgestattet pickt er sich um und ehe er sich versieht hebt ihn eine Welle vom Salondach und er fliegt vom Mastkorb auf der Steuerbordseite bis ins Unterwant auf der Backbordseite und landet unsanft auf dem Rücken. Das Want und der Mastkorb Backbord fangen ihn auf. Der Sturz, vom Cockpit aus betrachtet, sieht fürchterlich aus und ich denke direkt an Rippenbruch. Glücklicherweise kann Walter aufstehen und beendet den Reffvorgang. Wie sich herausstellt, ist es eine heftige Rippenprellung. Mit einer Ibuprofen 600 werden die Schmerzen etwas erträglicher.

Nicht nur die Welle ist Schuld an dem Sturz. Es sind auch die 4 Jahre alten Musto-Segelschuhe, deren Sohlen ausgehärtet und glatt geworden sind. Hinzu kommt noch die noch nicht angebrachte Rutschfestfarbe auf dem Salondach. Falsche Prioritäten gesetzt. Der Anstrich steht nun ganz oben auf unserer Liste.

Der Wind nimmt erst nach 2 Stunden etwas ab. Die Engstelle zwischen Sao Antao und Santo Vicente ist dafür bekannt, dass der Wind hier, bedingt durch den Düseneffekt, stark zunehmen kann. Wir bergen vorsichtshalber das Groß und laufen nur mit der Genua 3 mit 5 kn vor dem Wind Richtung Mindelo. Wird dann doch nicht so schlimm.

Mindelo in Sicht

Thomas, den wir in Tazacorte/La Palma kenngelernt haben und der mit seiner Morgaine einer Vancouver 27 einhand unterwegs ist, empfängt uns am Steg und hilft beim Festmachen. Der Wind ist immer noch heftig und so soll es vorerst auch bleiben. Die Marina ist dafür bekannt, dass es, insbesondere bei viel Wind, sehr schwellig ist. Wir haben einen einigermaßen geschützten Platz, liegen mit der Nase im Wind und machen aufgrund unserer elastischen Festmacher recht sanfte Bewegungen. Die Pogo 30 mit zwei älteren Franzosen an Bord hat, als wir das Großsegel geborgen haben, ausgerefft und  läuft eine halbe Stunde nach uns in Mindelo ein. Nachdem das Boot und wir aufgeklart sind, gehen wir gemeinsam mit Thomas essen und das verdiente Anlegerbier trinken. Nach Palmeira und Tarrafal hat Mindelo für uns schon fast Großstadtflair.

In den kommenden Tagen müssen wir uns erst einmal auskurieren. Walter ist mit seiner Rückenprellung nur eingeschränkt bewegungsfähig und mich hat eine starke Erkältung erwischt.